Hauptversammlung schafft Voraussetzung für Notierung in Schanghai // Kritikvon Umweltschützern
Herbert Fromme , Köln
Der Versicherungskonzern Allianz will seine Aktien an die Börse in Schanghai bringen und dort an Privatanleger verkaufen. Die Anteilseigner des Münchner Unternehmens schufen dafür gestern bei der Hauptversammlung die Voraussetzungen. Sie gaben dem Vorstand das Recht, Aktien bis zu zehn Prozent des Grundkapitals in China auf den Markt zu bringen und dabei die bestehenden Aktionäre vom Bezugsrecht auszuschließen.
„Es gibt konkrete Überlegungen, die Börse in Schanghai für ausländische Emittenten zu öffnen“, sagte der scheidende Finanzvorstand Paul Achleitner. Ob die Allianz sich dann dort notieren lasse, hänge von den Bedingungen ab, die noch nicht feststehen. „Wir wollen aber die Voraussetzungen dafür schaffen.“ Ziel seien private Anleger, nicht die großen Staatsfonds. „Die können heute schon auf den internationalen Börsen investieren.“
Mit einer Börsennotierung verfolgt die Allianz zwei Ziele. Erstens würde der Versicherer seinen Bekanntheitsgrad in dem Riesenmarkt erhöhen. „In den kommenden zehn Jahren kommen 45 Prozent des globalen Zuwachses der Versicherungswirtschaft aus China“, sagte Konzernchef Michael Diekmann.
Zweitens könnte der Schritt dem schwächelnden Allianz-Aktienkurs guttun. „Hier werden Versicherer mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von sieben gehandelt, in China von 24“, sagte Achleitner am Rande der Hauptversammlung. Das liege an den hohen Gewinnerwartungen für die Assekuranz im größten Markt der Welt. Da chinesische Privatanleger ihre Papiere nicht an den internationalen Börsen verkaufen dürfen, könne es sein, dass die Allianz-Aktien in China zu einem höheren Kurs notiert wären.
Konzernchef Diekmann nannte Eckdaten zu den Ergebnissen des ersten Quartals – vollständige Zahlen will die Allianz am 15. Mai bekannt geben. Der operative Gewinn stieg zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent auf 2,3 Mrd. Euro, der Quartalsüberschuss betrug 1,4 Mrd. Euro und lag damit um 60 Prozent höher. „Das Vorjahresquartal war von Naturkatastrophen und Sondereffekten geprägt“, sagte Diekmann. Der Umsatz stagnierte bei 30 Mrd. Euro. Für das volle Jahr wiederholte er seine Voraussage eines operativen Gewinns von 7,7 Mrd. bis 8,7 Mrd. Euro.
Zahlreiche kritische Aktionäre von Umweltverbänden und Hilfsorganisationen traten auf der Hauptversammlung auf und kritisierten den Konzern für angeblich menschenrechtswidrige und umweltfeindliche Kapitalanlagen. Die Allianz habe 6,2 Mrd. Euro in Fonds investiert, die mit Lebensmitteln spekulierten, so Oxfam-Aktivist Frank Braßel. Diese seien für Preiserhöhungen verantwortlich, die für die arme Bevölkerung vieler Länder Lebensmittel unerschwinglich machten – und damit für den Hunger vieler Menschen. Auch Investitionen in Kohlebergwerke oder Waffenhersteller monierten Aktionäre.
Die Allianz sieht sich hingegen bei Umwelt- und Ethikfragen ganz vorn. „Das Thema Nahrungsmittelspekulation nehmen wir sehr ernst“, sagte Diekmann. „Die Reputation der Allianz ist lupenrein, das ist Teil unseres Geschäftsmodells.“ Das sei viel mehr wert als kurzfristige geschäftliche Erfolge. Er lobte die Redner für ihren respektvollen Auftritt und bot Gespräche an.
Finanzvorstand Achleitner wurde konkreter. Wenn es um die 460 Mrd. Euro Versicherungsgelder der Allianz gehe, seien viele Waffenhersteller auf der Ausschlussliste, Bergbaufirmen bislang aber nicht. Doch sei die Allianz in China und Indonesien, von den kritischen Aktionären als Umweltverschmutzer beim Bergbau bezeichnet, nur mit 6 Mio. Euro und 5 Mio. Euro an Bergwerken beteiligt. Auf Rechnung der Allianz-Versicherungen gebe es null Investitionen in Rohstofffonds bei Lebensmitteln.
Zum Bestand der Töchter Pimco und Allianz Global Investors sagte er nichts – sie verwalten 1200 Mrd. Euro für Dritte. Hier sieht Achleitner den Versicherer offenbar nicht in der Verantwortung.
Der Finanzchef wurde auf der Hauptversammlung verabschiedet, er wechselt als Aufsichtsratsvorsitzender zur Deutschen Bank. Dort wird ihm das Thema erhalten bleiben: Die Bank steht noch stärker unter Beschuss der Umweltaktivisten als der Versicherer.
Quelle: Financial Times Deutschland
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