Die Inkassobranche fürchtet, dass sie kleinteilige Forderungen in Zukunft nicht mehr wirtschaftlich vertretbar eintreiben kann – zum Nachteil ihrer Kunden. Grund ist ein Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium, der die Gebühren von Inkassounternehmen regeln soll. „In der jetzigen Form wäre das Gesetz äußerst schädlich“, sagt Marco Weber, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU).
Die Gesellschaften übernehmen für andere Firmen wie Telekommunikationsunternehmen das Eintreiben offener Forderungen gegenüber Kunden. Der Großteil der Branche arbeitet sauber, aber es gibt auch einige schwarze Schafe. Sie drohen Schuldnern bei Nichtzahlung mit Hausbesuchen oder versuchen, unberechtigte Forderungen aus Abofallen im Internet einzutreiben. Weil der Ruf der Branche darunter leidet, fordern Inkassofirmen schon seit Längerem eine strengere Regulierung, insbesondere eine bessere Aufsicht. In den Bundesländern ist sie unterschiedlich geregelt: Mal sind die Amtsgerichte zuständig, mal das Oberlandesgericht. Insgesamt gibt es rund 80 Aufsichtsbehörden. Die können den Unternehmen zwar die Erlaubnis für die Geschäftstätigkeit entziehen. Da die Hürden dafür hoch sind, passiert das aber fast nie.
Daher war die Erleichterung groß, als das Justizministerium die Arbeit an dem „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ begann. Mit den bisherigen Ergebnissen ist der BDIU aber höchst unzufrieden. „An der Aufsicht soll sich kaum etwas ändern, das würde ja Geld kosten“, sagt Weber. „Stattdessen will das Justizministerium an der Gebührenschraube drehen.“ Das Gesetz soll das Ministerium ermächtigen, per Verordnung Preise festzusetzen, die Inkassounternehmen für Mahnschreiben oder Telefonate mit Schuldnern berechnen dürfen. „Wahrscheinlich wird das Justizministerium die Gebühren drücken wollen“, sagt er. Bisher orientieren sich die Inkassounternehmen an den Vergütungssätzen der Rechtsanwälte. Wenn die Gebühren unter diese Sätze sinken, könnten Inkassounternehmen Aufträge, bei denen es viele Kleinstbeträge einzuziehen gilt, nicht mehr annehmen, weil sie sich nicht mehr rechnen, fürchtet Weber. Den Kunden bliebe dann nur der kostspielige Gang zum Gericht – oder sie schreiben nichtbezahlte Kleinstbeträge sofort ab. „Das würde zu höheren Forderungsausfällen führen“, sagt Weber. Auch die Zahlungsmoral der Abnehmer würde leiden. „Wenn Kunden bemerken, dass eine Firma gewissen Forderungen nicht nachgeht, zahlen sie die auch nicht mehr.“ Noch ist aber nichts entschieden. Weil es um andere Punkte in dem Gesetz Streit gibt, liegt es auf Eis.
Neben der Möglichkeit, offene Forderungen von Inkassounternehmen eintreiben zu lassen, können Unternehmen sie auch an spezialisierte Anbieter, sogenannte Factoring-Unternehmen, verkaufen. Sie erstatten einen Großteil des Rechnungsbeitrags sofort und bezahlen den Rest dann, wenn das Geld vom Schuldner da ist. Dafür verlangen sie eine umsatzabhängige Gebühr und einen Zins auf das bereits ausgezahlte Geld.
Factoring kann sich für Unternehmen lohnen, die wegen offener Rechnungen regelmäßig in ernsthafte Probleme geraten, sagt Marlen Jäckel-Seifert, Inhaberin der Unternehmensberatung MJS-Consulting. „Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie kurz vor der Pleite stehen, sondern das kann auch an den hohen Produktionskosten liegen“, sagt sie. Ein Beispiel sei die Automobilzulieferbranche. In vielen Fällen rechne sich Factoring aber nicht, weil die Kosten den Nutzen nicht rechtfertigen, sagt Jäckel-Seifert. Das ist dann der Fall, wenn das Volumen der einzelnen Geschäfte eines Unternehmens und die Forderungsausfälle in der Vergangenheit sehr gering waren.
Jäckel-Seifert hält es für entscheidend, dass Betriebe mit einer Wirtschaftsauskunftei wie Bürgel oder Creditreform zusammenarbeiten, um die Bonität der eigenen Kunden verlässlich einschätzen zu können.
Quelle: Financial Times Deutschland
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