Herbert Frommes Kolumne Die Nachricht, dass Finleap mit tatkräftiger Unterstützung seines Anteilseigners Ping An ein Vergleichsportal baut, sollte nicht nur Check24 beunruhigen. Das Projekt hat das Zeug, den Versicherungsvertrieb insgesamt durchzuschütteln, nicht nur den Marktführer unter den Vergleichsportalen. Da passt es ins Bild, dass die Fonds Finanz-Eigner ihre Software-Firma Softfair an die Branche verkaufen wollen. Dahinter steht ein grundlegender Trend: Kosten und Daten bestimmen das Schicksal der Versicherer.
Es waren wieder einmal die Stellenanzeigen. Mit viel Enthusiasmus warb die Personalabteilung der Berliner Start-up-Schmiede Finleap um Personal für ein neues Unternehmen. „Wir bauen das nächste große B2C-Unternehmen im Bereich Finance und Versicherungen in Deutschland“, hieß es. Damit war die Nachricht draußen: Finleap baut ein Portal, und Ping An hilft dabei.
Ich vermute, dass es in den vergangenen Tagen etwas lauter wurde zwischen Finleap-Chef Ramin Niroumand und seinen HR-Spezialisten. Er wollte die Neugründung später und anders verkünden als über eine Stellenanzeige. Niroumand kann sich trösten: Was ihm passiert ist, geschah vor Kurzem auch Amazon, als der Einzelhändler sein Versicherungsteam in London zusammenstellte. Auch hier waren es die Stellenanzeigen, die den Plan vorzeitig ans Licht brachten.
Man kann die Nachricht zusammen mit zwei anderen Meldungen der vergangenen Tage sehen. Die Fonds Finanz-Eigner Norbert Porazik und Markus Kiener wollen bis zu 100 Prozent an Softfair verkaufen, ihrem Software-Unternehmen. Die Anteile wollen sie in Happen zu einem bis drei Prozent den Versicherungskonzernen anbieten, ein Prozent soll um die 500.000 Euro kosten. Den Preis bestätigt Fonds Finanz nicht. Fonds Finanz und Softfair laufen auf den ersten Blick ganz ausgezeichnet, das Unternehmen hat seinen Gewinn 2018 deutlich gesteigert. Aber trotzdem sprechen manche Brancheninsider von einem Notverkauf – weil sich große Kunden wie Swiss Life Select und BCA von Softfair abgewandt haben.
Ob das Fonds Finanz-Angebot angenommen wird? Schwer zu sagen. Der Eintrittspreis ist nicht allzu hoch. Aber wo liegt der Charme, sich mit 30 oder mehr anderen Versicherern über die Entwicklung von Softfair streiten zu müssen? Vor allem dann, wenn jeder Profi weiß, dass es nicht beim Eintritt bleibt, sondern die technische Entwicklung schon bald viel höhere Investitionen nötig macht.
Die dritte Nachricht kam von Wefox-Gründer Julian Teicke. Er trennt sich von Stephan Ommerborn, der den Erstversicherer One in Liechtenstein aufgebaut hat, und holt den früheren McKinsey-Mann und Digitalexperten Oliver Lang. Ommerborn war ein gelernter Versicherungsmanager. Lang soll jetzt mit mehr Fantasie die nächste Phase der One-Entwicklung umsetzen.
Vertriebskosten unter Druck
Bei allen drei Vorgängen wirkt derselbe Trend: Die Versicherer müssen viel digitaler werden, die Vertriebskosten müssen sinken.
In der Lebensversicherung sorgen Politik und Aufsicht für die Absenkung, ob nun mit oder ohne Provisionsdeckel. Da sind die Margen, die Fonds Finanz mit Softfair verlangt, bei den Versicherern immer schwerer zu rechtfertigen. Dazu kommt das unangenehme Gefühl vieler Gesellschaften, den Pools ausgeliefert zu sein.
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Alternativen kommen da sehr gelegen. Ob es Franke & Bornberg bei der Makleranbindung ist – eine ernsthafte Alternative zu Softfair – oder der Finleap-Neubau bei den Vergleichsportalen. Check24 ist teuer und hat es erfolgreich verstanden, die Kundenschnittstelle voll und ganz zu vereinnahmen.
Aber auch in der Schaden- und Unfallversicherung werden die Kosten wichtiger als Wettbewerbsfaktor, nicht unwichtiger. Die HUK-Coburg hat eine Kostenquote von 10,6 Prozent in der Schaden- und Unfallversicherung, die Allianz Deutschland von 25,0 Prozent. Nicht ohne Grund haben die Coburger in den vergangenen zehn Jahren die Allianz als Marktführer in der Kfz-Versicherung überholt.
Wenn Niroumand mit einem eigenen Portal auf den Markt kommt, muss es sich deutlich unterscheiden von Check24. Es dürfte jedenfalls am Anfang stärker auf Versicherung fokussiert sein als der Konkurrent. Und es dürfte billiger sein für die Gesellschaften. Wenn Ping An ernst macht mit der Unterstützung, wird die Plattform auch digitale Features haben, von denen die bisherigen Anbieter nur träumen. Die Nutzung von Big Data wird vom Schlagwort zur Realität.
Teicke will neuen Typ von Versicherer aufbauen
Teicke versucht mit One, einen neuen Typ von Versicherer aufzubauen, der seine Kunden konstant mit Angeboten je nach Lebenslage versorgt. Aber das ist nur die eine Seite seiner Pläne. Er hat 110 Mio. Euro von Investoren erhalten und will einen großen Maklerpool kaufen. Der würde dann auch für andere Versicherer liefern, gerade auch Lebens- und Finanzprodukte. Der Pool würde voll digital geführt. Ob die Kombination gelingt, wird sich zeigen.
Finleap, Fonds Finanz, Wefox – Die Verhältnisse kommen in Bewegung. Ich bin fest davon überzeugt: In den kommenden Jahren werden Kosten und Daten das Schicksal der Versicherungskonzerne zunehmend bestimmen. Nur wer die Kosten deutlich senken kann und die großen Datenmengen, die jeder Versicherer heute schon hat, klug nutzt, spielt ganz vorne mit. Nur dann kann er sich gegen Konkurrenten aus dem eigenen Lager und auch gegen Angriffe von außen erfolgreich durchsetzen.
Herbert Fromme
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