Herbert Frommes Kolumne Bei Ergo sind 7.000 Tarife bei den Lebensversicherern im internen Run-off, beim Abwicklungsspezialisten Athora rund 1.000. Die deutschen Lebensversicherer müssen mit enormen Altlasten fertig werden. Denn diese Tarife müssen über kurz oder lang auf neue IT-Systeme umgestellt werden. Wenn die Finanzaufsicht BaFin an ihrer rigiden Position festhält, dass dies auf den Cent genau geschehen muss, haben kleine und mittelgroße Lebensversicherer keine Chance.
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Die Unternehmen sind schuld, nicht die Aufsicht!
Es ist richtig, dass die Lebensversicherer damit überfordert sind, ihre Bestände in ihrer IT auf Dauer korrekt führen zu können. Die IT ist zu schwerfällig, es gibt zu wenig hinreichend ausgebildetes Personal und das Management ist zu kurzsichtig, um eine nachhaltige Vertragsführung zu gewährleisten.
Nun aber den Eindruck zu erwecken, die Aufsicht hätte eine deutliche Mitschuld, weil sie bis Mitte der 90er die Tarife genehmigte, das ist nicht richtig.
Zum einen ist ein großer Anteil der Tarife, die die IT belasten, erst seit 2000 aufgelegt worden. Denn mit jeder Änderung des Höchstrechnungszinses stand eine neue Tarifgeneration an und seit 2000 gab es acht Zinsänderungen – zwischen 1945 und 2000 aber nur zwei. Die Explosion an Tarifen fand also weit nach 2000 statt – da konnte die Aufsicht nichts dafür. Die neuen und deutlich komplexeren Sterbetafeln (immerhin auch sechs) traten da nur hinzu und haben für noch mehr Wirrwarr gesorgt.
Was aber noch schwerer wiegt: Die alten Tarife waren aktuariell recht einfach gestrickt – da kam man mit vier Kostenparametern aus. Das änderte sich aber ab 2000 rasant. Die Aktuare haben nicht nur deutlich komplexere Kostensysteme entwickelt. Auch die grundlegend neuen Tarifkonstruktionen – hybride Tarife, Index-Policen, „neue Klassik“ etc. – sind um ein Vielfaches anspruchsvoller als die alten Verträge. Der Rechenaufwand für nur einen solchen Tarif ist exponentiell größer als der für einen aus der alten Welt.
Das Problem sind also nicht die alten, vom Aufsichtsamt genehmigten Tarife. Die lassen sich noch ziemlich einfach rechnen. Das Problem der nächsten Jahrzehnte ist es, diese vielen neuartigen Tarife zu führen, die zu komplex sind, als dass sie einfach nachmodelliert werden können.
Man kann der Aufsicht vorwerfen, dass sie seit 2000 diesen Unfug mit unverständlichen, intransparenten und überkomplexen neuartigen Tarifen zugelassen hat. Aber was hätte sie dagegen tun können? Nichts. Erst jetzt kann sie vielleicht über den fehlenden Kundennutzen argumentieren und frühzeitig die Bremse ziehen. Hoffentlich tut sie das dann auch!