In der Ablehnung stärkerer Regulierung sind sich Versicherer und Risikomanager auf dem DVS-Symposium einig. Die einen fürchten Mehrkosten durch höhere Kapitalanforderungen, die anderen glauben, dass die neuen Regeln als Argument für höhere Prämien herhalten müssen.
Versicherer und Industrie empfinden die voranschreitende Regulierung der Versicherungsbranche immer mehr als Bedrohung. „Wir stellen fest, dass die Zunahme der Regulierung besorgniserregend ist“, sagte Andreas Berger, Vorstandsmitglied von Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), auf der Industrieversicherungstagung des Deutschen Versicherungs-Schutzverbands. Zuvor hatte AGCS-Chef Axel Theis von einem „Tsunami an Regulierungsvorschriften“ gesprochen.
Die Versicherer stehen vor schärferer Regulierung unter anderem durch die neuen europäischen Eigenkapitalregeln Solvency II. Als Folge müssen sie mehr Eigenkapital für ihre Kapitalanlagen vorhalten. Dazu kommt die Diskussion um neue Bilanzregeln. Der Allianz drohen noch höhere Anforderungen an das Eigenkapital, da sie als systemisch wichtiger Versicherer eingestuft wurde.
Die Risikomanager der Industrie beobachten das Thema ebenfalls mit Sorge, weil sie als Folge steigende Versicherungsprämien fürchten. Ingo Zimmermann von EADS sagte, die Unternehmen müssten sich mehr einbringen. „Bislang sind wir in die Diskussion um Regulierung kaum eingebunden“, sagte er. „Wir werden nicht gefragt, welche Sorgen wir haben oder wie wir die Stabilität der Versicherer einschätzen.“
Zimmermann fragte sich, warum die Assekuranz, die schon vorher stark reguliert war, jetzt noch stärker reguliert werden soll. „Zusätzliche Kapitalausstattung kostet Geld“, sagte er. Diese zusätzlichen Kosten könnten die Versicherer als Argument für höhere Prämien nehmen. „Die versicherungsnehmende Wirtschaft sollte etwas lauter werden auch gegenüber der Politik“, mahnte Zimmermann.
AGCS-Vorstand Berger beklagte, dass die Unsicherheit über den Zeitpunkt und die Auswirkungen der Einführung von Solvency II auch zu Unsicherheit bei Analysten und Anlegern und damit zu Druck auf den Aktienkurs führe.
Carsten Zielke, ehemaliger Versicherungsanalyst bei Banken und jetzt selbstständig mit der Zielke Research Consult tätig, bestätigte den Mechanismus. „Der Kapitalmarkt spiegelt nur wider, was es an Informationen gibt“, sagte er. Unsicherheit führt zu Risikoaufschlägen, diese zu niedrigen Aktienkursen. „Versicherer haben mit die niedrigsten Aktienkurse“, sagt er. Allerdings sei die Assekuranz daran nicht unschuldig. „Sie beschäftigen sich seit mehr als zehn Jahren mit Solvency II“, sagte er an die Adresse der Versicherer.
Außerdem seien die Versicherer zu Unrecht stolz darauf, anders als die Banken keine Zocker zu sein – schließlich hätten sie Kunden in der Lebensversicherung hohe Garantien über lange Zeiträume gegeben. „Das ist für mich auch eine Art von Zockerei“, sagte er. „Hier muss es zum Umdenken kommen.“ Die Ansätze zu Produktinnovationen in der Lebensversicherung bewertete er positiv.
Stefan Materne, Professor für Risikomanagement und Rückversicherung an der Kölner Fachhochschule sieht keine Alternative zu Solvency II – das Modell sei auch nicht schuld daran, dass die Aktienkurse der Versicherer im Keller sind, betonte er. Seine Theorie: „Versicherer haben keine Wachstumsstory.“ Ohne diese Story wollten Anleger aber ungern investieren.
EADS-Manager Zimmermann empfahl der Assekuranz mehr Innovationen, um bei Investoren zu punkten. „Innovationen sind ein ganz wichtiger Punkt“, sagte er. „Damit meine ich keinen Blankoscheck, der unsere Fehler abdeckt, sondern den Dialog mit der versicherungsnehmenden Wirtschaft wieder zu intensivieren und zu schauen, wohin sich der tatsächliche Bedarf entwickelt“, so Zimmermann. „Dann würden vielleicht auch die Investoren wieder hellhörig werden.“
Patrick Hagen
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