Von Herbert Fromme, Köln Die amerikanische Versicherungsgruppe St. Paul Companies aus Saint Paul im Bundesstaat Minnesota sucht einen Interessenten für ihr deutsches Erstversicherungsgeschäft. Sollte sich niemand finden, wird das Büro der Gruppe in München mit 20 Beschäftigten noch in diesem Jahr geschlossen.
Die St. Paul hatte im Dezember angekündigt, sich aus verlustbringenden Geschäften und den meisten Auslandsmärkten zurückzuziehen. „Wir wollen nur noch in den angelsächsischen Ländern aktiv sein“, sagte Hakan Schnipper, Vorstandsmitglied der Tochter St. Paul International Ins. Co. (UK) in London. Über die britische Tochter hatte die Gruppe in den letzten Jahren auch ihr deutsches Geschäft gezeichnet. Hierzulande belief sich das Prämienvolumen des Mitte der 90er Jahre hoffnungsvoll gestarteten Versicherers auf 11 Mio. Euro.
Der Rückzug der St. Paul aus dem Erstversicherungsmarkt – das aktive Rückversicherungsgeschäft wird über London beschränkt fortgeführt – wird in der Branche sehr aufmerksam verfolgt, nicht zuletzt von den Managern zahlreicher Krankenhausbetriebe. Als Spezialist für Arzthaftungsversicherungen und verwandte Sparten hatte der US-Konzern sich auch in Deutschland auf dieses Segment konzentriert und günstige Policen über Makler vertrieben.
Arzthaftungs-Versicherungsfälle werden in vielen Fällen sehr spät sichtbar. Geburtsschäden etwa manifestieren sich oft erst nach Jahren. Wenn Geschädigte dann dem Krankenhaus und seinen Ärzten Kunstfehler nachweisen, muss die Klinik sich an ihren Haftpflichtversicherer halten. „Deshalb gibt es Unruhe bei den Kliniken“, sagte ein Makler. „Wenn das Haus nach mehreren Jahren einen Schaden meldet, gibt es nur noch ein Büro in London oder in den USA.“ Da seien Forderungen der Krankenhäuser sehr viel schwerer durchzusetzen.
St.-Paul-Manager Schnipper sieht kein Problem. „Wir werden selbstverständlich alle unsere Verpflichtungen erfüllen“, sagte er der Financial Times Deutschland.
Die St. Paul hatte im vierten Quartal 2001 einen Verlust von 655 Mio. $ erlitten, vor allem weil die Gruppe ihre Rückstellungen erheblich verstärken musste und die Kosten für den Rückzug aus Europa, Afrika, Australien, Lateinamerika und mehreren Geschäftsfeldern in den USA schon in diesem Zeitraum verbuchte.
Hauptverlustbringer war die Arzthaftpflichtdeckung. Hier verbuchte das Unternehmen Prämieneinnahmen von 530 Mio. $ weltweit – und einen Bedarf für Schäden, Kosten und Rückstellungen von 1,47 Mrd. $, sodass ein technischer Verlust von 940 Mio. $ entstand.
In Deutschland führt der Rückzug zu verstärkter Nachfrage nach Haftpflichtdeckung von einheimischen Versicherern – die sich ihre Kontinuität gerade jetzt sehr teuer bezahlen lassen können.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo