Versicherern drohen Bilanzprobleme

Von Herbert Fromme, Köln Nach dem 11. September 2001 setzten die Versicherer eine weit reichende Änderung der Bilanzierungsvorschriften durch, die Ende 2002 heftig auf sie zurückschlagen kann. Denn stehen die Aktienmärkte am 31. Dezember 2002 auf einem ähnlich niedrigen Stand wie heute, müssen sie die 2001 nicht vorgenommenen Abschreibungen auf Aktien und Fonds nachholen, zusätzlich zu den möglicherweise für 2002 nötigen Wertkorrekturen. Das wurde bei einem Mandantenseminar der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG klar.

Bis 2001 mussten Versicherer Wertminderungen bei Wertpapieren im selben Jahr abschreiben oder realisieren, in dem sie anfielen. Das so genannte strenge Niederstwertprinzip wurde Ende 2001 mit dem neuen Paragrafen 341 b des Handelsgesetzbuchs abgeschafft. Die Unternehmen können jetzt Wertpapiere statt als Umlaufvermögen auch als Anlagevermögen behandeln, wenn sie dazu bestimmt sind, „dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen“. Vor allem Lebensversicherer nutzten das neue Instrument. Abschreibungen auf solche Papiere müssen erst dann vorgenommen werden, wenn die Wertminderung dauerhaft ist.

Es gibt aber keine gesetzliche Regelung, was „dauerhaft“ heißt. „Darüber herrscht große Unsicherheit bei den Versicherern“, sagte KPMG-Partner Rainer Husch. Er nannte aber einige Kriterien: „Wenn der Zeitwert in einer bestimmten Zeitspanne vor dem Bilanzstichtag, zum Beispiel sechs Monate, mehr als 20 Prozent unter dem Buchwert liegt, ist das ein Indiz für eine dauernde Wertminderung.“ Auch ein abweichender Kursverlauf eines Papiers vom Restmarkt, der Substanzverlust des Emittenten, finanzielle Schwierigkeiten oder drohende Insolvenz seien Anzeichen für die Dauerhaftigkeit.

Im Klartext heißt das: Bleibt der Dax bei seinem jetzigen Stand, müssen viele Versicherer die 2001 erlittenen Verluste aus Wertpapieren in der Gewinn-und Verlustrechnung 2002 zeigen. Weil die Unternehmen Abschreibungen steuerlich aber nicht geltend machen können, sind sie unter Druck, Papiere vor Jahresende zu verkaufen und damit ihre Verluste zu realisieren – nur dann erkennt sie auch das Finanzamt an.

Von 51 Lebensversicherern, die KPMG beobachtete, nutzten 23 den neuen Paragrafen im Jahr 2001 nicht, von den anderen 28 blieben 2 trotzdem beim strengen Niederstwertprinzip. Die vermiedenen Abschreibungen bei 26 von 51 Firmen reichten aus, um die Nettoverzinsung aus Kapitalanlagen für alle um einen halben Punkt schöner darzustellen, als sie unter Einrechnung des Aktien-Wertverlusts war. „Bei einzelnen Unternehmen macht das durchaus zwei bis drei Prozent aus“, sagte Husch. Müssen Unternehmen das 2002 nachholen, kann es bitter für sie werden. Allerdings muss nicht immer der volle Wertverlust abgeschrieben werden: Husch sagte, dass positive Annahmen über die Zukunftsaussichten der Unternehmen oder Märkte durchaus eine geringeren Abschreibung rechtfertigen könnten.

Dasselbe Prinzip gilt auch für Anlagen in Fonds. Hier muss der anlegende Versicherer die einzelnen Vermögensbestandteile analysieren.

Quelle: Financial Times Deutschland

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