Versicherer lernen die Gerling-Lektion

Große Verunsicherung “ Rückdeckungseinkauf wird künftig stärker diversifiziert

Von Herbert Fromme, Köln Die bevorstehende Abwicklung des größten Teils der Gerling Globale Rück (GGR) und ihre Übergabe an den Manager Achim Kann führen zu weitreichenden Änderungen bei deutschen Erstversicherern, den Kunden der Rückversicherer. Davon überzeugt ist Klaus Riechmann, Geschäftsführer des Rückversicherungsmaklers Guy Carpenter, der zur Firmengruppe Marsh gehört.

„Bisher war der deutsche Markt sehr konservativ“, sagte Riechmann. „Viele kleine Versicherer haben ihre gesamten Schutzdeckungen bei einer oder zwei Adressen platziert.“ Der Rückzug der GGR vom aktiven Geschäft führe bei diesen Unternehmen zum Umdenken, glaubt Riechmann. „Schon in den letzten Jahren gab es den Trend zu mehr Qualität. Aber Gerling Rück hatte schließlich ein,AA‘-Rating, wurde also als qualitativ sehr gut angesehen.“ Jetzt komme bei den Versicherern die Überlegung hinzu, ihren Rückversicherungsschutz künftig stärker zu stückeln.

Noch nie ging in Deutschland eine so bedeutende Versicherungsgesellschaft wie die GGR, die Nummer sechs im Weltmarkt, in die Abwicklung. Entsprechend groß ist die Verunsicherung und Sprachlosigkeit bei den Kunden. „Wir werden die Situation untersuchen und uns entsprechend verhalten“, sagte ein Sprecher des Kölner Versicherers DEVK, des größten GGR-Kunden. Probleme erwarten die Unternehmen vor allem bei langfristigen Risiken. Rückversicherer sind lebenswichtig für Erstversicherer: Sie übernehmen Teile ihrer schweren und lang laufenden Risiken. Fällt ein Rückversicherer bei jahrelang dauernden Schadenzahlungen aus, etwa für Renten bei Verkehrsopfern, sind die Erstversicherer in Not.

Für sie stellt sich die Frage, wie stabil die GGR als Rückversicherer noch ist. Ihr neuer Eigner Achim Kann wird Versicherern in vielen Fällen die Kommutation anbieten. Dabei erhält der Kunde einen Teil der von der GGR für den konkreten Vertrag aufgebauten Schadenreserve und entlässt die GGR im Gegenzug aus dem Risiko.

Aber die Kommutation birgt Gefahren. Die Übernahme des Altrisikos in die eigenen Bücher kann den Eigenkapitalbedarf des Erstversicherers erhöhen, der die Solvabilitätsanforderungen der Finanzaufsicht erfüllen muss. Möglicherweise muss sich ein Erstversicherer einen anderen Rückversicherer suchen, der das Risiko übernimmt – bestimmt zu einem höheren Preis. In der Branche wird mit Interesse notiert, dass Gerling-Chef Heinrich Focke für konzernintern bei der GGR platzierte Risiken die Kommutation ausdrücklich ausschließt.

„Bei jeder Abwicklung besteht ein höheres Insolvenzrisiko als beim normalen Betrieb eines Rückversicherers“, sagte ein GGR-Konkurrent. Das werde aber erst nach drei oder fünf Jahren hochkommen. „Bis dahin reichen die Schadenrückstellungen eigentlich immer. Die Frage ist, ob sie auch für die wirklich lang laufenden und teuren Risiken reichen.“

Wegen dieser Gefahr könnten Kunden auf die Idee kommen, sich schon jetzt abzusichern, sagte ein Londoner Branchenkenner. „Offenbar geht es Gerlings Lebens-Rückversicherung ja gut, und sie soll in eine separate Firma überführt werden. Es ist möglich, dass Kunden noch schnell Ansprüche gegen das Vermögen der Lebensseite geltend machen, um mögliche spätere Verluste aus der Abwicklung des übrigen Geschäfts zu vermeiden.“

Zitat:

„Versicherer prüfen die Stückelung ihrer Rückdeckungen“ – Klaus Riechmann.

Quelle: Financial Times Deutschland

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