In Deutschland ist der Konzern unangefochten Nummer eins der Gasversorger “ Fusion mit Eon bringt sogar Geld für eine Einkaufstour in Europa
Mit gut gefülltem Portemonnaie kann sich Burckhard Bergmann, Chef des größten deutschen Gasimporteurs Ruhrgas, jetzt auf Einkaufstour durch Europa begeben: 6 bis 8 Mrd. Euro wird der neue Eigentümer Eon für Investitionen zur Verfügung stellen. Das musste Eon-Chef Ulrich Hartmann versprechen, als er im vergangenen Sommer vom Wirtschaftsministerium in Berlin die Erlaubnis zur Ruhrgas-Übernahme bekam. Für das Essener Unternehmen bricht damit eine neue Ära an.
„Wir brauchen die Finanzkraft von Eon“, hatte Bergmann gesagt und damit um politische Unterstützung für die Fusionspläne geworben. Fakt ist: Wer künftig auf dem europäischen Gasmarkt mitspielen will, muss Milliarden ausgeben. Die Erschließung neuer Gasfelder in Russland und Norwegen und der Bau von Pipelines sind teuer. Die Erzeugerländer können und wollen diese Kosten nicht allein tragen, die großen Importeure sollen sich beteiligen.
Schon heute sind die internationalen Aktivitäten der Ruhrgas beachtlich. Die Beteiligungen reichen von den Baltischen Staaten bis nach Ungarn, Tschechien und Slowenien, von Skandinavien bis nach Luxemburg und in die Schweiz. Und Ruhrgas hält 6,5 Prozent am weltweit größten Gasproduzenten, der russischen Gazprom. Ruhrgas-Chef Bergmann war der erste Ausländer, der einen Sitz im Aufsichtsrat des staatlichen Energiekonzerns bekam.
Doch aus eigener Kraft könne man solche aufwendigen Vorhaben künftig nicht mehr finanzieren, sagte Bergmann und verwies auf den Verkauf von Förderaktivitäten der finnischen Fortum Ende 2002. Damals musste Ruhrgas Italiens Eni den Vortritt lassen, weil die mehr zahlen konnte.
Gegründet wurde Ruhrgas 1926, um überschüssiges Kokereigas der Ruhrzechen in Deutschland zu verkaufen und zu verteilen. Seit den 60er Jahren wurde Erdgas immer wichtiger. Ein Meilenstein war das Erdgas-Röhrengeschäft mit der Sowjetunion 1970: Die Russen kauften große Mengen Röhren für neue Pipelines in Deutschland und lieferten dafür Gas.
Wenig später entwickelte sich auch die bisherige Aktionärsstruktur der Ruhrgas: Beteiligt waren Ölmultis wie Shell, BP und Exxon, Kohleproduzent RAG und der Essener Konkurrent RWE, aber auch Industriekonzerne wie ThyssenKrupp, Mannesmann und Preussag – heute Vodafone und Tui. Sie sicherten zusammen einen Interessenausgleich zwischen Energielieferanten und Verbrauchern und mischten sich nur selten in das operative Geschäft ein. Das garantierte dem Importeur jahrzehntelang Stabilität und Erfolg.
Das System funktionierte bis 2000, als Eon seine Übernahmepläne öffentlich machte. Der Stromkonzern wollte mit Ruhrgas sein Gasgeschäft ausbauen. Und er schaffte es tatsächlich, das Aktionärsgeflecht aufzubrechen und für mehr als 10 Mrd. Euro alle Anteile zu kaufen. Während sich die Industriekonzerne unter den Anteilseignern vor allem über das Geld freuten, haben BP & Co. jetzt freien Weg für eigene Bemühungen auf dem deutschen Gasmarkt. Eon-Chef Hartmann musste auf den endgültigen Erfolg allerdings zwei Jahre warten, nämlich bis er eine Minister-Erlaubnis für die Übernahme hatte und deren Gegner außergerichtlich abgefunden waren. Eines versprach er den Essenern danach: „Der Name,Ruhrgas‘ bleibt erhalten.“
Der Nervenkrieg um die Übernahme durch Eon dürfte dem Namen einiges an zusätzlicher Bekanntheit verschafft haben. Privaten Gasverbrauchern war der Konzern bislang nicht so geläufig, im Gegensatz etwa zur Bekanntheit des Energieunternehmens RWE. Ruhrgas verkauft ihr importiertes Gas nämlich an Regionalversorger, Stadtwerke oder Großabnehmer, nicht aber direkt an Kleinkunden, die Gasheizungen oder Gasöfen betreiben.
Die deutsche Gaswirtschaft hatte sich die Versorgung der damaligen Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang genau aufgeteilt: Durch eine Ausnahme vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen waren Gebietsabsprachen zwischen den Anbietern erlaubt. Die Position auch von Ruhrgas war dadurch gesichert. Die Kunden hatten praktisch keine Möglichkeit, ihren Gasversorger zu wechseln. Möglich war einzig der Bau neuer Pipelines. Das allerdings war eine sehr kostspielige Version des Wettbewerbs. Dennoch begann Wintershall, eine Tochter der BASF, Anfang der 90er Jahre damit, ein eigenes Rohrnetz aufzubauen, das sich schließlich bis nach Nordrhein-Westfalen und ins Gebiet der Ruhrgas erstreckte.
Mittlerweile aber ist der deutsche Energiemarkt offen, zumindest auf dem Papier. Gegen Gebühr haben Konkurrenten das Recht, die Pipelines der Gasversorger zu nutzen. Industrie oder Stadtwerke können jetzt auch bei anderen Unternehmen als ihrem traditionellen Versorger kaufen. Fraglich ist aber, ob diese Anderen in der Lage sind, sie günstiger zu beliefern. Konkurrenten fürchten, dass Ruhrgas es sich seiner Größe wegen leisten kann, jedes Angebot zu unterbieten und seine Gaskunden so zu halten.
Der Konzern hat durch den Wettbewerb zwar etwas von seinem Marktanteil verloren, ist aber noch immer der größte Gasversorger in Deutschland. 2001 erwirtschaftete Ruhrgas einen Umsatz von 13,3 Mrd. Euro und verkaufte mehr als 600 Mrd. Kilowattstunden Erdgas. Das sind knapp 60 Prozent des deutschen Verbrauchs.
Im Zuge der Übernahme durch Eon wird aber auch Ruhrgas noch Federn lassen. Einige Beteiligungen, etwa am ostdeutschen Gasimporteur VNG, muss sie verkaufen. Außerdem muss Ruhrgas den Konkurrenten bestimmte Mengen Gas aus den langfristigen Verträgen mit den ausländischen Gasproduzenten anbieten.
Zitat:
„Wir brauchen die Finanzkraft von Eon“ – Burckhard Bergmann, Vorstandsvorsitzender von Ruhrgas
Bild(er):
Mit Verdichterstationen wie hier in Werne wird der Gasdruck in den Rohrleitungen konstant gehalten – Ruhrgas.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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