Versicherer pochen auf Änderung der Steuergesetze

Paradox: Aktienverluste sorgen für höhere Steuern in Milliardenhöhe “ Assekuranz legt Entwurf vor “ Politik grundsätzlich aufgeschlossen

Von Herbert Fromme, Berlin Die Versicherungsbranche drängt auf eine rasche Änderung des Körperschaftsteuergesetzes. Dazu hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eine Initiative bei Ministerien und Bundestagsabgeordneten gestartet.

Das so genannte Halbeinkünfteverfahren soll für die Versicherungswirtschaft größtenteils ausgesetzt werden. „Bisher gibt es positive Signale“, sagte Jürgen Wagner, Leiter der Steuerabteilung beim GDV am Montagabend vor Journalisten in Berlin.

Sollte die Initiative nicht erfolgreich sein, erwartet er katastrophale Folgen. Die Assekuranz muss in ihren Bilanzen ohnehin hohe Abschreibungen und Verluste aus dem Verkauf abgestürzter Aktien verkraften. Viele Gesellschaften haben versucht, Abschreibungen mit den neuen Möglichkeiten des Paragrafen 341b des Handelsgesetzbuchs über mehrere Jahre zu strecken.

„Viele Abschreibungen sind trotzdem zwingend zum 31. Dezember 2002 und wohl auch zum 31. Dezember 2003 vorzunehmen“, sagte Wagner. „Dadurch ergibt sich für viele Versicherer eine schwierige wirtschaftliche Situation, die durch die steuerliche Beurteilung noch gravierend verschlechtert wird.“

Das Problem entstand mit dem ab 2002 voll wirksamen Halbeinkünfteverfahren. Dabei zahlen ausschüttende Gesellschaften 25 Prozent „Definitivsteuer“ auf Dividenden. Ist der Empfänger der Dividende eine Kapitalgesellschaft, sind alle Gewinne aus Aktien steuerfrei, einschließlich der Gewinne aus dem Verkauf. Im Gegenzug dürfen aber bei schlechtem Verlauf der Börse, wie er seit 2000 vorherrscht, die anfallenden Verluste nicht steuerlich gewinnmindernd angerechnet werden.

„Bei Lebens-und Krankenversicherern gibt es eine Spezialwirkung, die niemand bei der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens gewollt hat“, erläuterte GDV-Fachmann Ralf Chalupnik, stellvertretender Leiter der Abteilung Steuern.

Denn bei der Steuerberechnung bleiben Aktienverluste außen vor – bei der Berechnung, wie viel ein Lebensversicherer seinen Kunden gutschreiben muss, werden sie dagegen berücksichtigt. Denn hier gilt nicht die Steuer-, sondern die Handelsbilanz.

Laufen die Börsen gut, gibt es keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil: Die Lebensversicherer nehmen einen großen Teil ihrer Gewinne steuerfrei ein, nämlich die aus Aktien. Weil sie aber mindestens 90 Prozent aller Gewinne automatisch den Kunden gutschreiben und diese Gutschrift als Ausgabe gilt, machen Lebensversicherer bei positiver Börse fast immer einen steuerlichen Verlust, auch wenn sie in ihren Handelsbilanzen gesunde Gewinne ausweisen.

Ganz anders sieht die Rechnung bei fallenden Börsen aus. „Hier führt die Sondersituation dazu, dass ein Lebensversicherer sehr hohe Steuern zahlt, obwohl ihn gleichzeitig die Verluste aus Aktien drücken“, sagte Chalupnik. Denn diese Verluste bleiben unberücksichtigt – in der Steuerbilanz. Dadurch entsteht ein zu versteuernder rechnerischer Gewinn. Weil die Aktienverluste aber in der Handelsbilanz als Belastung gezeigt werden müssen, verringern sich die 90-Prozent-Gutschriften an die Kunden. „Die so entstehende Steuerlast entspricht etwa 70 Prozent der Verluste aus Aktien“, so Chalupnik. Der GDV will keine absoluten Summen nennen. Es handelt sich wohl um Milliardenbeträge.Euro

„Wir schlagen vor, dass bei Lebensversicherern sowohl Erträge als auch Verluste aus Aktienanlagen zu 90 Prozent in die Steuerbilanz eingehen, bei privaten Krankenversicherern zu 80 Prozent“, sagte Chalupnik. Damit wäre dem Problem die Spitze genommen. „Es handelt sich nicht um ein Steuergeschenk. Was jetzt weniger gezahlt wird, wird bei Gewinnen aus Aktien mehr gezahlt“, sagte Wagner.

Zitat:

„Die schwierige Lage wird steuerlich noch verschlechtert“ – Jürgen Wagner, GDV.

Quelle: Financial Times Deutschland

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