Kassenärzte fürchten Haftung für Arzneimittelausgaben

Kritik am Arbeitsentwurf für Gesundheitsreform

Von Ilse Schlingensiepen, Düsseldorf Niedergelassene Ärzte fürchten, dass ihnen die Bundesregierung bei der Arzneimittelverordnung die Daumenschrauben anzieht. Der Arbeitsentwurf für die Gesundheitsreform sei so formuliert, dass die Krankenkassen Mehrausgaben bei Medikamenten direkt von der Vergütung der Ärzte abziehen können, sagte Leonhard Hansen, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Bei den Arzneimitteln wird sich unsere Situation verschärfen.“

Die Bundesregierung hatte 2001 das starre Arzneimittelbudget abgeschafft. Jetzt vereinbaren die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und die Kassen am regionalen Bedarf orientierte Ausgabevolumina. Vergangenheit ist auch die kollektive Haftung aller Ärzte für Überschreitungen, die faktisch allerdings nie vollzogen wurde.

Zurzeit können Ärzte und Kassen aushandeln, wie sie mit zu hohen Arzneimittelausgaben umgehen, sagte Hansen. Der Arbeitsentwurf schreibe jetzt vor, dass Überschreitungen „auszugleichen“ sind. „Für mich ist das die kalte Wiedereinführung der Kollektivhaftung.“

„Davon kann keine Rede sein“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Das Gesetz verpflichte Kassen und KVen lediglich dazu, für Überschreitungen Ausgleichsmechanismen zu Gunsten der Krankenkassen zu vereinbaren.

Faktisch bleibe da kaum noch Verhandlungsspielraum, fürchtet Hansen. „Die Kassen werden Mehrausgaben bei Medikamenten von der Gesamtvergütung für die Ärzte abziehen wollen.“

Er erwartet, dass die Arzneimittelthematik auch Einfluss auf die in Zukunft möglichen Einzelverträge zwischen Fachärzten und Kassen haben wird. „Ärzte, die viel verordnen, werden von den Kassen erst gar kein Angebot bekommen“, sagte er.

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) hat davor gewarnt, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen auszuschließen. Die von der Regierung geplante Maßnahme sei unsozial und unwirtschaftlich, kritisierte der Verband. Der BPI-Vorsitzende Bernd Wegener erwartet, dass die Ärzte auf teurere verschreibungspflichtige Medikamente umsteigen werden. Das koste die Kassen mindestens 1,6 Mrd. Euro pro Jahr.

Zitat:

„Bei den Arzneimitteln wird sich unsere Situation verschärfen“ – Ärztefunktionär Hansen.

Quelle: Financial Times Deutschland

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