Aktionäre greifen Münchener-Rück-Chefs an

Scheidender Konzernvorsitzender Schinzler hält an HypoVereinsbank und Ergo fest · Vorstand Booth verlässt Konzern

Von Herbert Fromme, Köln Aktionärsvertreter haben auf der gestrigen Hauptversammlung der Münchener Rück den Vorstand und den zum 1. Januar 2004 ausscheidenden Konzernchef Hans-Jürgen Schinzler wegen des schlechten Kursverlaufs der Aktie heftig kritisiert. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sprach von „Amateuren“, die bei der Anlagepolitik des weltgrößten Rückversicherers am Werk gewesen seien.

Thomas Körfgen, Leiter des Aktienfondsmanagements der SEB Invest, kritisierte das „extrem starke Engagement im krisengeschüttelten deutschen Bankensektor“. „26 Prozent Anteil an der HypoVereinsbank (HVB), zehn Prozent an der Commerzbank und 15 Prozent an der Dresdner Bank über die Allianz-Beteiligung. Wo bitte ist hier eine Risikostreuung und Diversifikation?“, fragte Körfgen.

Die Risiken auf der Anlageseite seien unterschätzt worden, sagte Henning Gebhardt, Chef der Abteilung Deutsche Aktien bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS Investments, die drei Prozent der Münchener Rück besitzt. Die Münchener-Rück-Aktie habe 2002 fast zwei Drittel ihres Wertes verloren und sei auch 2003 enttäuschend.

„Diese Enttäuschung verstärkt sich, wenn man auf andere europäische Versicherungstitel schaut“, sagte Gebhardt mit Blick auf die deutlich bessere Entwicklung etwa der Schweizer-Rück-Aktie. Gebhardt kritisierte besonders die enge Verflechtung mit der Allianz und der HVB und sprach sich „vor dem Hintergrund einer drohenden Herabstufung durch die Rating-Agenturen“ gegen die Zahlung der Dividende von unverändert 1,25 Euro pro Aktie aus.

Schinzler sagte, die Münchener Rück halte an ihrer Beteiligung von jetzt 15 Prozent an der Allianz fest. Die Höhe der Kapitalbeteiligung an der HVB von 26 Prozent sei aber „nicht sakrosankt“. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die erfolgreiche Kooperation von Ergo und HVB auch durch eine geringere Beteiligungsquote unterlegt werden könnte“, sagte er. Die Strategie, die zur Gründung der Ergo geführt habe, sei weiter richtig. Die Dividende sei gerechtfertigt, denn das Unternehmen habe insgesamt das drittbeste Ergebnis seiner Geschichte erwirtschaftet. Wenn man die Abschreibungen als Teil des Ergebnisses akzeptiere, müsse dasselbe auch für Gewinne aus Veräußerungen gelten.

Schinzler wollte auch auf der Hauptversammlung keine Aussage zum möglichen Jahresgewinn machen. 2002 hatte der Konzern 1,1 Mrd. Euro Gewinn erwirtschaftet, davon stammt der größte Teil allerdings aus Sondereinflüssen, die der Auflösung des Beteiligungsgeflechts mit der Allianz geschuldet sind. Seit vier Quartalen hat die Münchener Rück nur noch Verluste gezeigt, die vor allem aus hohen Abschreibungen auf Aktien stammen.

Kurz vor der Hauptversammlung hatte der Konzern bekannt gegeben, dass Vorstandsmitglied Clement Booth, seit 1999 im Vorstand, das Unternehmen „aus familiären Gründen“ verlässt. Der 48-jährige Südafrikaner war bisher für Spezial-Finanzrisiken, Unternehmensplanung und Investor Relations zuständig. Aus Firmenkreisen war zu hören, dass Booths Familie in Deutschland nicht heimisch wurde. Aufsichtsratschef Ulrich Hartmann verabschiedete Booth ungewohnt herzlich. Angesichts der besonderen Wertschätzung für ihn sei der Aufsichtsrat der Bitte um Vertragsbeendigung nur ungern, aber mit Verständnis nachgekommen, sagte er.

Neu in den Vorstand bestellt wurde Torsten Jeworrek. Der 41-jährige Diplom-Mathematiker ist zurzeit Chef des Geschäftsbereichs Nordeuropa. Er übernimmt von Booth die Abteilung Spezial-Finanzrisiken. Investor Relations geht an Finanzchef Jörg Schneider, während der künftige Konzernchef Nikolaus von Bomhard die Unternehmensplanung direkt leiten wird.

Zitat:

„Die Höhe der Beteiligung an der HVB ist nicht sakrosankt“ – Konzernchef Hans-Jürgen Schinzler.

Quelle: Financial Times Deutschland

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