BaFin will künftig Rückversicherer prüfen

Nach Verzögerung der EU-Richtlinie erwägt Finanzaufsicht eine nationale Lösung · Widerstand in der Branche

Von Herbert Fromme, Köln Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) prüft einen nationalen Alleingang zur schärferen Kontrolle der deutschen Rückversicherer. Davon wären Konzerne wie die Münchener Rück, Hannover Rück oder Allianz Holding betroffen.

„Die eigentlich für 2003 geplante EU-Richtlinie verzögert sich“, sagte Thomas Steffen, Chef der Versicherungsaufsicht bei der BaFin. „Sie wird jetzt wohl erst 2005 verabschiedet.“ Das sei sehr spät, sagte Steffen vor Fachjuristen bei einer Tagung des Versicherungsforums in Köln. „Wir müssen uns überlegen, doch national zu handeln.“ Die EU-Richtlinie müsse dann später eingearbeitet werden. Ob es dazu komme, sei aber Sache des Gesetzgebers.

Zurzeit unterliegen die Rückversicherer nur einer sehr eingeschränkten Aufsicht durch die BaFin. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Rechnungslegung, nicht aber auf die Finanzstärke der Unternehmen und ihr Geschäftsverhalten. Das deutsche Versicherungsaufsichtsrecht geht davon aus, dass zwar der Endverbraucher durch die Aufsicht geschützt werden muss, dies im Verhältnis zwischen Erst-und Rückversicherern aber nicht nötig ist. Nur indirekt – über die Prüfung der Verträge zwischen Erstversicherern und ihren Rückversicherern – hat die BaFin Einfluss.

Wegen der gewachsenen Bedeutung der Rückversicherer, die global hohe Risiken abdecken, denken die meisten Regierungen und die EU-Kommission heute anders. Ihre Befürchtung: Gerät ein bedeutender Rückversicherer in eine Schieflage, kann das schwerwiegende Konsequenzen für die internationale Finanzstabilität haben.

„Deutschland ist Weltmarktführer in der Rückversicherung. Ich wäre dagegen, dass wir diese Position an Bermuda verlieren“, sagte Steffen. Der Inselstaat ist aus Steuergründen Sitz zahlreicher Rückversicherer, die ihre Kapitalbasis in den USA haben.

„International werde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie es zum Fall Gerling Rück kommen konnte“, sagte Steffen. Der sechstgrößte Rückversicherer der Welt war 2002 in schwere finanzielle Nöte geraten und hatte das Geschäft bis auf die Lebens-Rückversicherung einstellen müssen. Die ausländischen Experten hätten kein Verständnis dafür, dass Deutschland keine Rechtsgrundlage für eine Aufsicht über Rückversicherer habe, die so etwas hätte verhindern können, sagte Steffen. „Auch bei den Solvabilitätsvorschriften für Rückversicherer stehen wir nicht gut da“, sagte Steffen. Bermuda habe solche Vorschriften, die das Verhältnis von Eigenkapital zu übernommenen Risiken festlegen, Deutschland nicht.

Die US-Versicherungsaufseher würden sehr genau nach Deutschland schauen, und deutsche Rückversicherer müssten in hohem Maße Sicherheitsleistungen wie etwa Depots stellen, wenn sie mit US-Erstversicherern Geschäfte machen wollten. In der Branche werden die Bemühungen der BaFin in Richtung engere Aufsicht über Rückversicherer mit Misstrauen betrachtet. „Wir sind da nicht deckungsgleich“, sagte Bernd Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Der Weltmarktführer Münchener Rück wollte sich nicht zu dem Thema äußern.

Steffen kündigte an, dass künftig auch externe Wirtschaftsprüfer im Auftrag der BaFin Versicherer kontrollieren sollen. Bei den Banken ist das bereits der Fall. Die Aufsicht erhoffe sich dadurch eine spürbar höhere Prüffrequenz und die Einbeziehung von mehr Fachwissen, vor allem auf der Kapitalanlageseite. Zurzeit werden Versicherungsunternehmen in Deutschland etwa alle zehn Jahre geprüft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe diese niedrige Frequenz moniert. „Wir hatten darüber lange Gespräche mit dem IWF“, sagte Steffen.

Die Einbeziehung externer Prüfer soll in der gegenwärtig vorbereiteten Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts geregelt werden. Branchen-Chefaufseher Steffen verteidigte, dass künftig die geprüften Versicherer individuell die Kosten der Prüfung zahlen müssen. „Das entspricht dem Verursacherprinzip“, sagte er. Grundsätzlich finanziert sich die Finanzaufsichtsbehörde über eine Umlage bei allen beaufsichtigten Finanzdienstleistern.

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Durch eine strengere Aufsicht könnten die Rückversicherer genauso wie die Romanfigur Gulliver bewegungsunfähig sein, so die Branche – akg-images.

Quelle: Financial Times Deutschland

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