Münchener Rück stellt traditionelles Modell der Lebensversicherung in Frage · Interview mit dem künftigen Konzernchef Nikolaus von Bomhard

Von Herbert Fromme, Patrick Jenkins und Thibaut Madelin, München Die Münchener Rück stellt die klassische Kapitallebensversicherung mit festen Garantien für die Kunden auf den Prüfstand. „Wir müssen unser Modell anpassen. So wie bisher kann es nicht weitergehen“, sagte der künftige Konzernchef Nikolaus von Bomhard in einem Interview der Financial Times Deutschland. Die Verteilung von Risiko und Gewinnchance stimme nicht mehr. „Das Risiko liegt fast vollständig beim Aktionär“, sagte von Bomhard. Das müsse sich rasch ändern.

Von Bomhard, der am 1. Januar 2004 Jürgen Schinzler ablöst, kündigte an, die Beteiligung an der Erstversicherungsholding Ergo zu überprüfen. Der Münchener-Rück-Konzern, Deutschlands zweitgrößter Anbieter von Lebenspolicen, hält über Ergo die Hamburg-Mannheimer und die Victoria Leben, außerdem gehört die Karlsruher zum Unternehmen.

Seit Monaten gibt es Spekulationen, der Konzern wolle Ergo abgeben. Die defizitäre Tochter wird wegen der Probleme ihrer Lebensversicherer 2003 erneut einen Verlust ausweisen, der nach bisherigen Erwartungen die gesamte Gruppe in die roten Zahlen bringt. Eine Trennung sei „nicht auf dem Bildschirm“, sagte von Bomhard und erklärte gleichzeitig, eine strategische Überprüfung aller Geschäftsfelder werde bis Februar oder März 2004 abgeschlossen. Ergebnisse will der Konzern am 15. April mit seinen Jahresergebnissen 2003 vorlegen. „Dann sollte diese Frage geklärt sein.“ Die Antwort werde auch von den Überlegungen zu den Lebensversicherungsprodukten abhängen. Die Münchener Rück ist der einzige Rückversicherer, der auch im Erstversicherungsmarkt mit Endkunden im großen Stil aktiv ist. Konkurrent Swiss Re hat die gesamte Erstversicherung verkauft.

Das deutsche Lebensversicherungsmodell sei „die größte Herausforderung für die Münchener Rück“, sagte von Bomhard. „Der deutsche Lebensversicherungsmarkt hat bis heute nicht vollständig auf die Veränderungen reagiert, die mit der Liberalisierung der Versicherungswirtschaft 1994 kamen“, beklagte er. „Die Branche hat ausreichend differenzierte Modelle entwickelt. „

Bei klassischen Lebensversicherungspolicen garantieren die Versicherer ihren Kunden einen so genannten Rechnungszins für die volle Laufzeit des Vertrags. Die kann etwa bei Rentenversicherungen 50 Jahre und mehr betragen. Dieser Mindestzins beträgt zurzeit 3,25 Prozent und ab Januar 2,75 Prozent. Darüber hinaus zahlen sie eine so genannte Überschussbeteiligung. Die Börsenkrise der letzten drei Jahre hat viele Lebensversicherer in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Jahrelang hatten sie ihren Kunden aus Konkurrenzgründen offensichtlich zu hohe Zusagen gemacht.

Kritik am deutschen Lebensversicherungsmodell kam zuletzt von Analysten, Rating-Agenturen und ausländischen Anbietern, darunter die französische Axa. Die klassische Lebensversicherung ist ohnehin unter Druck, weil die Regierung die steuerfreie Auszahlung der Erträge 2005 abschaffen will. Sollte sie verschwinden, hätte das große Auswirkungen auf die Vertriebsorganisationen der Versicherer, die überwiegend von den lukrativen Provisionen auf Lebensverträge existieren.

„Wie die Anpassung der Lebensversicherungsprodukte aussieht, können wir noch nicht sagen“, sagte von Bomhard. Die Umstellung auf den Verkauf fondsgebundener Policen sei eine allzu einfache Antwort. Wenn die Assekuranz kaum noch Risiken übernehme, stelle sich die Frage, ob sie gegen konkurrierende Anbieter bestehen könne. „Die Verbindung von Risikoteil und Sparanteil in einem Produkt ist ja eigentlich das Interessante. Das können Konkurrenten wie Banken und Fondsgesellschaften nicht anbieten.“

Leitartikel

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Quelle: Financial Times Deutschland

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