Private Versicherer schlachten heilige Kühe

Die privaten Krankenversicherer (PKV) wollen in den nächsten Wochen Einzelheiten zu ihrem neuen Basistarif bekannt geben. „Wir werden auf Ulla Schmidt zugehen und ihr einen ausgearbeiteten Entwurf für eine Gesetzesänderung vorlegen, damit wir zum 1. Januar 2006 den Basistarif einführen können“, sagt Reinhold Schulte, der Präsident des PKV-Verbandes und Chef der Signal-Iduna-Gruppe.
Der neue Basistarif ist das Ergebnis des wohl größten Rückzugsgefechts der PKV aus einer seit Jahrzehnten gehaltenen Position. Bislang haben die Krankenversicherer erfolgreich Widerstand dagegen, dass die Kunden beim Wechsel von einer Gesellschaft zur anderen die für sie angelegten Alterungsrückstellungen mitnehmen können.
Private Krankenversicherer in Deutschland arbeiten nach dem Prinzip der Lebensversicherung. In jungen Jahren zahlt der Kunde mehr, als für die Begleichung seiner Arztrechnungen nötig ist. Von der Prämie spart der Versicherer einen Teil an. Im Alter ist der Beitrag niedriger, als er auf Grund der vorkommenden Krankheiten eigentlich sein müsste.
Das System hat einen gravierenden Nachteil: Wechselt ein Kunde, kommt die bis dahin angesparte Alterungsrückstellung den übrigen Versicherten bei der alten Gesellschaft zugute. Mitnehmen kann er sie nicht. Wer sich in jungen Jahren für eine Gesellschaft entscheidet, ist also fast ein Leben lang an sie gebunden, auch wenn er sich in späteren Jahren fürchterlich über sie ärgert. Wer dennoch wechselt, zahlt beim neuen Versicherer meist deutlich mehr Beitrag. Innerhalb des PKV-Systems fand bislang also kaum Wettbewerb statt.
Künftig können zumindest Kunden im Basistarif gefahrlos wechseln, ohne die bis dahin angesammelte Alterungsrückstellung zu verlieren. Auch eine neue Gesundheitsprüfung wird nicht verlangt. Für Kunden in anderen Tarifen gilt diese erleichterte Wechselmöglichkeit nicht.
Den Grund für den Sinneswandel der PKV lieferten die Parteien. Sowohl die von SPD und Grünen gewollte Bürgerversicherung als auch die von der CDU verfochtene Kopfpauschale würden das Ende der PKV in ihrer jetzigen Form bedeuten. Deshalb wollten die 49 privaten Krankenversicherer einen Kritikpunkt entkräften, dem sie immer wieder schlechte Presse verdanken.
Eines der wichtigsten Wachstumsfelder hat den Gesellschaften ebenfalls die Politik gegeben. Seit Januar 2004 gibt es die Möglichkeit, dass gesetzliche Krankenkassen (GKV) Kooperationsverträge abschließen. So können AOK-Patienten in vielen Regionen über ihre Kasse DKV-Zusatzpolicen kaufen. Der PKV-Verband schätzt, dass im November 2004 rund 250 000 Verträge so in die Bücher kamen. Das ist vorsichtig geschätzt. Beim Spitzenduo Barmer/HUK-Coburg waren es Ende Februar bereits 176 000 versicherte Personen, dazu kamen noch 43 500 Versicherte mit Reisekrankenschutz. Die DKV, die mit einem großen Teil der AOKen kooperiert, meldet 70 000 Abschlüsse über die Kooperationsvereinbarung, die Signal Iduna 25 000 Verträge im Jahr 2004.
Manchem in der PKV ist nicht wohl bei der Kooperation. Dazu gehört die Continentale in Dortmund, die ausdrücklich keinen Kooperationsvertrag hat. Die Kritiker fürchten, dass sich eine Vermengung der Systeme gegen die Privaten wenden könnte. Verbandschef Schulte ist vorsichtig. Auch innerhalb der Kooperationsmodelle sollte die Vermittlung nur über den Außendienst der Privaten vorgenommen werden. „Man muss genau trennen zwischen den Aufgaben der Gesetzlichen und den Aufgaben der Privaten.“
Mittlerweile machen sich die PKV-Verbandsmitglieder weniger Sorgen um die künftigen Reformen als noch vor einem halben Jahr. „Unsere Arbeit bei der Politik war erfolgreich“, sagte Schulte. Auch SPD und Grüne würden zunehmend die Bedeutung des Prinzips der Nachhaltigkeit erkennen. Die PKV-Gesellschaften hätten inzwischen Alterungsrückstellungen von 75 Mrd. Euro angesammelt. „Dieser Personenkreis lebt nicht zu Lasten der nächsten Generation.“
Abschaffen wollen die privaten Versicherer die gesetzlichen Kassen nicht. „Die PKV bejaht die Koexistenz von GKV und PKV und will sie mit ihrem Vorschlag durchgreifend stärken“, heißt es beim Verband.

Quelle: Financial Times Deutschland

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