Trotz eines vordergründig exzellenten Quartalsabschlusses haben die Anleger gestern enttäuscht auf die neuen Zahlen der Münchener Rück reagiert. Die Aktie verlor zwei Prozent und schloss bei 86,79 Euro. Am Vormittag hatte Finanzchef Jörg Schneider einen nach eigenen Worten „überzeugenden Quartalsgewinn“ von 688 Mio. Euro bekannt gegeben, eine Steigerung von 26,7 Prozent gegenüber den Monaten Januar bis März 2004. Börsenhändler sprachen von einem „aufgeputzten Ergebnis“ – das Unternehmen hatte einige ergebnissteigernde Sonderfaktoren verbucht.
Rückversicherer übernehmen von Erstversicherern, die direkt mit Endverbrauchern Geschäfte machen, einen Teil der Risiken. Dadurch werden Schäden geografisch und über die Zeit verteilt. Weil ihre Funktion darin besteht, Risiken auch über längere Zeiträume auszugleichen, sind Quartalszahlen für Rückversicherer eigentlich weniger aussagekräftig.
Der weltweite Branchenführer konnte Gewinne von 178 Mio. Euro aus dem Verkauf von MAN-Aktien sowie 70 Mio. Euro aus der Abgabe seines Anteils am Finanzkonzerns BHW verbuchen. Außerdem verkaufte das Unternehmen festverzinsliche und andere Wertpapiere und realisierte damit Gewinne. Insgesamt verbesserte die Münchener Rück so ihre Kapitalerträge um satte 603 Mio. Euro oder 32,5 Prozent von 1,85 Mrd. Euro auf 2,46 Mrd.Euro.
Vorstand Schneider wehrte sich gegen den Verdacht, der Konzern habe das Gesamtergebnis künstlich aufgebläht. „Das ist solide“, sagte er. Der Konzern könne das lange durchhalten. Die Veräußerung von Wertpapieren sei Teil des normalen Geschäfts. Auf der anderen Seite trafen Großschäden den Rückversicherer deutlich stärker als im Vergleichszeitraum 2004. Der Wintersturm „Erwin“, der Anfang Januar in Nordeuropa tobte, schlug mit 70 Mio. Eurozu Buche, der Brand des Windsor Towers in Madrid 35 Mio. Euro.
Nach zwei guten Jahren mit hohen Preisen im Kerngeschäft Rückversicherung sieht sich das Unternehmen Preisdruck ausgesetzt. Die Münchener Rück versucht gegenzuhalten. Man sei bereit, unprofitables Geschäft aufzugeben, sagte Schneider. Das ist jetzt schon spürbar: Im ersten Quartal verbuchte der Konzern in der Rückversicherung einen Rückgang der Prämieneinnahmen um 5,3 Prozent auf 5,84 Mrd. Euro. In der Erstversicherung dagegen – das sind vor allem die Ergo-Unternehmen und die Karlsruher-Gruppe – blieb der Umsatzrückgang mit 0,1 Prozent auf 4,88 Mrd. Euro moderat.
Schneider nannte das Einnahmeminus eine „Konsolidierung der Prämieneinnahmen“. Die Münchener Rück habe bei den Preisen nicht nachgegeben.
Die mitten im Großumbau befindliche Tochter Ergo steigerte den Gewinn um 14 Mio. Euro auf bescheidene 69 Mio.Euro. Insgesamt trug die Erstversicherung 121 Mio. Euro zum Konzernergebnis bei, getrieben wie der gesamte Gewinn von den gesteigerten Kapitalerträgen.
Probleme könnten auch künftig von der Tochter American Re kommen, sagte Schneider. Eigentlich hatte Konzernchef Nikolaus von Bomhard die Sanierung der US-Gesellschaft für abgeschlossen erklärt. „Wir können nicht sagen, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist“, sagte Schneider gestern. Vor allem für Verträge aus den Jahren 1997 bis 2001, die damals zu ungenügenden Preisen gezeichnet wurden, sind noch Nachreservierungen möglich.
Ärger bereitet der Münchener Rück auch die Untersuchung der Finanzrückversicherung durch US-Behörden. Das Unternehmen habe Vorladungen erhalten und befolge die „sehr zeitaufwändigen“ Auskunftsersuchen der Behörden, sagte Schneider. „Wir sind in keinem Fall beschuldigt“.
Betroffen ist das Unternehmen im Skandal um den US-Versicherer AIG auch durch eine Minderheitsbeteiligung von 49 Prozent an der Richmond Insurance auf Bermuda. Sie war ein wichtiges Instrument der AIG bei der inzwischen eingestandenen Bilanzmanipulation.
Die Münchener Rück habe ihre Anteile immer ordentlich verbucht, sagte Schneider. Das Unternehmen bestätigte aber, dass es bei Richmond aussteigen will. Der Konzern hat eine Verkaufsoption für seinen Anteil an Richmond gezogen. Die Aktien gehen zum Buchwert von 39,7 Mio. Euro an die AIG.
Quelle: Financial Times Deutschland
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