Ein Zungenbrecher macht derzeit den Chemiemanagern in der Region Köln zu schaffen: Das Wasserentnahmeentgeltgesetz (WEEG) ist in der Branche zum Reizthema geworden. „Allein hierfür gehen die Ausgaben der Unternehmen in die Millionen“, sagt Oliver Pruys, Geschäftsführer des Verbands Chemcologne. Das nordrhein-westfälische Gesetz vom 1. Februar 2004 sehen viele Manager als typisches Beispiel für den Knüppel, den ihnen die Politik in den Weg wirft. Der „Wassercent“ soll die Unternehmen zum Sparen motivieren, kommt die Chemieindustrie, die oft sehr viel Wasser verbraucht, aber teuer zu stehen. Die mögliche Folge: der Verlust weiterer Arbeitsplätze.
Im Kölner Raum sind nach Schätzungen des Arbeitgeberverbands 2004 in der chemischen und pharmazeutischen Industrie vier Prozent der Arbeitsplätze verloren gegangen. „Die chemische Industrie hat in Köln in den letzten Jahren massiv Stellen abgebaut“, sagt IHK-Dezernent Lutz Klewer. Neben Rationalisierung und Automatisierung spielten auch politisch bedingte Sonderbelastungen eine Rolle. Klewer nennt das Beispiel eines Unternehmens, das durch das WEEG für eine Anlage jährlich 600 000 Euro zusätzlich ausgeben muss. „Hätten die das drei Jahre vorher erfahren, stünde die Anlage jetzt wahrscheinlich in Antwerpen“, sagt er.
„Bei Entscheidungen über Produkte und Standorte sind solche Zusatzlasten schädlich“, bestätigt Friedrich Überacker, Geschäftsführer des Chemie-Arbeitgeberverbands in Köln. Vor allem die großen Konzerne strukturieren um, konzentrieren sich auf Kernprodukte und prüfen Engagements in den aufstrebenden Regionen Osteuropas und Asiens. „Ich bin aber überzeugt, dass die Chemieindustrie in Köln auch nach der Umstrukturierung eine Branche mit Zukunft ist“, sagt Überacker. Hoffnung machen ihm die mittelständischen Unternehmen: „Sie fangen an, ihre Beschäftigungszahlen wieder aufzustocken.“
Die chemische und pharmazeutische Industrie ist für Köln ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Akzo Nobel, Aventis, BASF, Bayer, BP, Degussa, Exxon Mobil, Shell und Dea – die Liste der hier vertretenen Unternehmen liest sich wie das Who’s who der Branche. Im Jahr 2004 verbuchten 74 Unternehmen im IHK-Bezirk einen Umsatz von 18 Mrd. Euro – 1,8 Prozent mehr als 2003 und stolze 36,1 Prozent des gesamten Industrieumsatzes.
Die Betriebe finden in der Region, was sie brauchen: „Sie können auf eine hervorragende Infrastruktur zurückgreifen“, sagt Arbeitgebervertreter Überacker. Dazu zählen die Autobahnen ebenso wie das Schienennetz mit dem Güterverkehrszentrum Köln-Eifeltor und der Rhein. Hinzu kommt die Anbindung an ein großes Pipelinesystem.
Die Branche profitiere auch von der Unterstützung durch die Kölner Behörden und den Rückhalt in der Bevölkerung. „Die Menschen haben verstanden, wie wichtig die Chemieindustrie für die Region ist“, sagt Überacker. Geschäftsführer Pruys betont dabei die Rolle des Vereins Chemcologne, der 1999 gegründet wurde: „Hier sitzen alle Beteiligten an einem Tisch und tauschen Erfahrungen aus“, sagt er. Träger sind einzelne Unternehmen, die Stadt Köln, das Land Nordrhein-Westfalen und der Arbeitgeberverband.
Der Verein wirbt im In- und Ausland für den Chemiestandort. Das gute Zusammenspiel der Branche zeigt sich bei den Chemieparks. Angebote wie der Bayer Chemical Park oder der Chemiepark Knapsack arbeiten nach dem Prinzip „Plug and Play“: Verschiedene Firmen haben Zugriff auf eine komplette Infrastruktur und eine breite Dienstleistungspalette.
Angesichts der guten Standortfaktoren sei es um so ärgerlicher, wenn Unternehmen wegen restriktiver politischer Rahmenbedingungen ihre Kapazitäten herunterfahren oder sich nach anderen Standorten umsehen, sagt Oliver Pruys: „Köln wird immer ein wichtiger Chemiestandort sein. Fraglich ist aber, ob es bei der heutigen Intensität und Größenordnung bleibt.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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