Die Finanzbranche erfindet sich neu

Die schlechte Nachricht kam am 21. März. Der Axa-Konzern, deutsche Tochter der Pariser Axa-Gruppe, bestätigte den Verlust von 680 Arbeitsplätzen. 380 Jobs will der Konzern wegrationalisieren und 300 nach Indien und Lettland verlagern.
Für viele in der Branche war das ein Schock, denn der Axa-Fall zeigt: Auch Versicherungskonzerne lassen künftig bestimmte Arbeiten an ausländischen Billiglohnstandorten ausführen. Zwar hat die Axa mit den Betriebsräten schon lange eine Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen noch ausschließt. Möglicherweise wird dieser Deal sogar verlängert. Trotzdem: Die Folgen der Globalisierung wurden jetzt auch jedem einzelnen Mitarbeiter von Banken und Versicherungen drastisch vor Augen geführt.
Da fiel es kaum noch ins Gewicht, dass Axa-Chef Claus-Michael Dill sechs Wochen vorher eine Sparmaßnahme durchgesetzt hatte, die noch vor wenigen Jahren im heiligen Köln zu heftigsten Protesten geführt hätte. Dill strich kurzerhand den Brauch, Rosenmontag – Höhepunkt des rheinischen Karnevals – arbeitsfrei zu geben. Die hauseigene Karnevalssitzung zur Weiberfastnacht schaffte Dill gleich mit ab.
Der Einsatz von industriellen Methoden hält Einzug – der Computer erledigt immer mehr Arbeitsschritte in festgelegten Taktzeiten, vom Versicherungsantrag bis zur Schadensabwicklung. Zudem fordern Deregulierung, Aktienkrise und die zunehmend scharfe Konkurrenz ihren Tribut, nicht nur von Versicherern, sondern auch von Sparkassen und Banken.
Die Sparkasse KölnBonn ist mit einer Bilanzsumme von 28 Mrd. Euro das größte Institut im Sparkassensektor nach der Hamburger Sparkasse. Die Fusion beider Stadtsparkassen der Nachbarstädte ist ein Kraftakt für Manager und Mitarbeiter. Gerade die Kölner Seite muss gleichzeitig mit Altlasten fertig werden und vergleichsweise hohe Beträge für Risikovorsorge und Bewertungen zurückstellen.
Die Fusion der Kölner und Bonner Sparkassen könnte zur Keimzelle einer noch größeren Einheit werden, etwa unter Einschluss der Sparkassen in Leverkusen und anderen Städten. Aus einer solchen Großfusion wollen sich die Kölner aber heraushalten, die selbst 2003 mit der Siegburger Konkurrenz fusionierten. Für Chef Hans-Peter Krämer ist klar: „Das wird nicht passieren, da kommen wir in eine Dimension, die nicht mehr zu einer Sparkasse passt.“ Die Kreissparkasse ist die drittgrößte Sparkasse Deutschlands.
Zunehmend erfolgreicher agiert die Privatbank Sal. Oppenheim. Ausdruck gewachsenen Selbstbewusstseins war die Übernahme der Frankfurter BHF-Bank vom niederländischen Finanzkonzern ING. Jetzt will die Bank im Markt der Publikumsfonds schnell wachsen.
Besonders betroffen ist Köln von den Veränderungen in der Versicherungswirtschaft . Laut der Bundesagentur für Arbeit war die Stadt mit 26 820 Beschäftigten 2004 die zweitgrößte deutsche Versicherungsstadt, knapp hinter München 28 820. Im Vorjahr hatte Köln vorngelegen.
Der Wettstreit mit München um den Titel „Versicherungshauptstadt“ ist erst in den letzten Jahren aufgekommen. Noch 1993 rangierte Köln auf Platz drei mit 25 710 Beschäftigten, weit hinter München mit 30 120 und Hamburg mit 28 410 Mitarbeitern.
Die rheinische Metropole beherbergt unter anderem Axa, DEVK, Gerling, Gothaer, Roland und den Rückversicherer Kölnische Rück. Marktführer Allianz führt sein NRW-Geschäft von Köln aus, die Zurich Financial Services ist mit zahlreichen Beschäftigten vertreten, das gilt ebenso für die AMB Generali, den Schweizer Rückversicherer Converium und den Kreditversicherer Atradius. Diese Dichte macht den Standort für viele Dienstleister attraktiv, etwa die Rating-Agentur Assekurata. Viele ausländische Versicherer und Rückversicherer sind mit Niederlassungen vertreten.
In vielen dieser Gesellschaften gibt es indes Unruhe. Bei Gerling dauert die Hängepartie jetzt fast drei Jahre. Der Konzern geriet nach abenteuerlichen Zukäufen in den USA und hohen Verlusten in eine schwere Krise. Er musste das eigene Rückversicherungsgeschäft größtenteils einstellen. Die operativen Versicherer aber können große Fortschritte aufweisen. Zur Ruhe kommt der Konzern dennoch nicht – die beiden Eigner Rolf Gerling mit 94 Prozent und Joachim Theye mit sechs Prozent suchen einen Käufer.
Gespräche führen sie mit einer Reihe von Interessenten, bekannt sind der US-Fonds Cerberus, die Talanx-/HDI-Gruppe und die Zurich Financial Services. Konzernchef Björn Jansli muss derweil die Truppen beruhigen. „Dieses Unternehmen ist gesund. Wir hatten eine existenzgefährdende Krise. Die ist vorbei“, sagt Jansli.
Bei der Gothaer-Gruppe strukturiert Konzernchef Werner Görg das Unternehmen nun um – mit Methoden, die Teile der Belegschaft als rabiat empfinden. Die Töchter Gothaer Kredit und Gothaer Rück wurden quasi über Nacht geschlossen, ein großer Teil des Lebensversicherers aus Göttingen wurde nach Köln abgezogen, Niederlassungen des Schaden- und Unfallversicherers geschlossen.
Unter dem Namen „Vektor“ lässt Görg jetzt eine Vorstudie zu möglichen Einsparungen bei Dienstleistungen anfertigen. Dazu gehören das Rechnungswesen, die IT, die allgemeine Verwaltung und das Controlling. Die Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass mehr als 100 Jobs gestrichen werden könnten, die Gothaer bestreitet das.

Quelle: Financial Times Deutschland

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