Helmut Haumann hat einen Traum: Wenn Papst Benedikt XVI. im August zum Weltjugendtag kommt, soll er an Bord des Katamarans „Rheinenergie“ das kölnische Ufer erreichen. Eine bessere Werbung könnte es für den heimischen Energieversorger kaum geben. Und wohl auch keinen besseren Ausdruck für die Vermischung von Wirtschaft, Kirche und Kultur in der Domstadt.
Haumann, Vorstandschef der Rheinenergie, sitzt wie immer korrekt gekleidet am Konferenztisch. Der graue Nadelstreifen passt farblich zum Haar, orangefarbene Krawatte und passendes Einstecktuch setzen Farbakzente. Zum Lesen holt er eine kleine Brille hervor, seine Sätze sind druckreif. Seine Laune ist sehr gut an diesem Tag, denn der 1. FC Köln ist gerade wieder in die erste Fußball-Bundesliga aufgestiegen. Haumann ist Verwaltungsratschef des Klubs. Sein Mienenspiel verrät davon nichts. „Ich bin nicht stimmungsabhängig. Abschalten kann ich gut in beide Richtungen“, sagt der 64-Jährige.
Auf den ersten Blick erinnert seine Karriere an den sprichwörtlichen „Kölschen Klüngel“: Nach verdienter Arbeit für die CDU-Fraktion im Stadtrat ist er in den Vorstand des kommunalen Energieversorgers – der damals GEW hieß – aufgerückt und hat nebenbei die Finger drin bei Karneval, Kirche und Kickern.
Wer genauer hinschaut, sieht einen Manager mit Visionen, der das Unternehmen in Zeiten eines liberalisierten Energiemarktes vor der Übernahme durch einen der ganz großen Versorger bewahrt hat, 2004 zum Energiemanager des Jahres gewählt wurde, die Mitarbeiter mit kostenlosen Fitnessbüchern versorgt und sich sozial engagiert, weil man als Chef Vorbild sein muss.
Den Verweis auf die Parteizugehörigkeit hat Haumann aus seinem Lebenslauf streichen lassen. „Mit dem Tag, an dem ich Vorstand wurde, habe ich die aktive Parteiarbeit eingestellt.
Parteizugehörigkeit und -aktivitäten dürfen heute auch in kommunal geführten Unternehmen keine Rolle mehr spielen.“ Entscheidend für das Energiegeschäft sei einzig, was wirtschaftlich Sinn mache. Wenn es um Entwicklungen in der Region und die Zusammenarbeit mit den Energieunternehmen der umliegenden Städte geht, müsse man sich die Unterstützung aller Parteien sichern.
Den Einflussbereich der Rheinenergie hat Haumann von Bonn im Süden bis zum Erzrivalen Düsseldorf im Norden ausgedehnt. „Ich bin kein Anhänger der Idee, dass wir in Deutschland nur noch vier bis sechs Energieversorger haben sollten“, sagt er. Eine gewisse Größe sei aber unabdingbar für das Überleben. „Wir sind das einzige Land in Europa, das solch kleinteilige Strukturen in der Energiewirtschaft hat.
Was erzählt er den Stadtvätern der Region, wenn es darum geht, ein Stadtwerk an Eon, RWE oder andere internationale Versorger zu verkaufen oder sich mit Rheinenergie zusammen zu tun? „Wir kennen auf Grund unserer Herkunft die kommunale Sichtweise sehr gut, nehmen Rücksicht auf die lokalen Bedürfnisse und die örtliche Wirtschaft, zum Beispiel bei der Auftragsvergabe.“
Hellwach und gleichzeitig entspannt wirkt Haumann. Seine Armbanduhr geht zehn Minuten vor. So überlistet er sich und sorgt dafür, dass er immer pünktlich ist: Er weiß, dass der nächste Termin naht, aber er trotzdem noch ein paar Minuten Zeit hat. 80 bis 90 Stunden in der Woche arbeitet er, bis zu neun Termine sind es pro Tag, sagt er.
Nur an Karneval, wenn bei Rheinenergie allein die Notbesetzung zu erreichen ist, sitzt auch der Chef nicht am Schreibtisch: Er verfolgt und kommentiert den Rosenmontagszug auf der unternehmenseigenen Tribüne – oder fährt auf dem Wagen mit. An seine diesjährigen Kostüme kann er sich kaum noch erinnern, „aber mindestens einmal war ein Trikot der Kölner Haie ein wesentlicher Bestandteil“.
Bei den Eishockeyspielern ist Rheinenergie natürlich Sponsor. Genau wie bei den lokalen Basketballprofis, die auch den Namen Rheinenergie tragen und gerade den BBL-Pokal gewonnen haben.
Das Sponsoring des Energieversorgers beschränkt sich nicht auf den sportlichen Bereich: Alljährlich vergibt er mit der Kölner Journalistenschule den Kölner Medienpreis, und die GEW-Stiftung fördert unter anderem Projekte für benachteiligte Jugendliche. Haumann sieht soziales Engagement als gesellschaftliche Verpflichtung.
Wenn der Chef eine der Rolltreppen benutzt, die die Unternehmens-zentrale am Parkgürtel durchziehen, bleibt er nie stehen, sondern läuft. Das steckt die Mitarbeiter an, hat er beobachtet. So sollte es in anderen Bereichen funktionieren: „Sie müssen etwas vorleben.“
Bis vor wenigen Jahren wurden bei Pressekonferenzen der Rheinenergie noch kostenlos Zigaretten auf dem Silbertablett serviert. Damit ist es jetzt vorbei, versichert Haumann, der selbst nie geraucht hat. Fitness für alle hat Priorität, deshalb stellt im Foyer gleich die Betriebssportgemeinschaft ihre Angebote vor.
Im Sommer wird er 65 Jahre alt, 2006 geht er in den Ruhestand. Seine Nachfolge wurde gerade ausgeschrieben. „Ich werde das hier aber nicht auslaufen lassen, sondern bis zum Schluss voll durchpowern. Wir haben noch so viel vor, müssen das Zeitfenster nutzen, das sich durch die Einführung des neuen Energiewirtschaftsgesetzes öffnet.“
Bis Ende 2005 will er den Einstieg ins Entsorgungsgeschäft schaffen. Der ideale Versorger sei auch auf der anderen Seite des Geschäftes aktiv, meint Haumann. Er selbst wird als Rentner wieder mehr Zeit haben zum Joggen und Golf spielen lernen, für eine Runde Straßenfußball mit den Enkeln – und für seinen FC. Der spielt natürlich in einem Stadion, das den Namen des Energieversorgers trägt.
Zum Aufstieg haben sie alle gratuliert. „Guido Westerwelle hat auch schon angerufen.“ Nein, sagt Haumann, ein ausgesprochener Fußballfan sei der FDP-Chef wohl nicht, aber man kenne sich eben. Er erzählt das so beiläufig wie von seinem morgendlichen Treffen mit dem Oberbürgermeister oder der letzten Begegnung mit Kardinal Meisner.
Quelle: Financial Times Deutschland
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