Die Zeit läuft: Zwar müssen Krankenhäuser erst in fünf Jahren mit einem transparenten Preissystem arbeiten, doch die Angst sitzt schon jetzt vielen im Nacken. Ab 2010 werden Krankenhausleistungen landesweit einheitlich vergütet, das Kreiskrankenhaus im Bayerischen Wald erhält für eine Blinddarmoperation so viel wie die Uniklinik München.
Bislang handeln Kliniken individuelle Budgets mit den Krankenkassen aus. Zwar gilt seit Januar 2004 das neue System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG), die finanziellen Auswirkungen sind aber noch begrenzt. Bei den DRGs werden stationäre Behandlungsfälle zu Gruppen zusammengefasst und mit Pauschalpreisen erstattet. Abhängig von Schwere und Zahl der Fälle wird für jede Klinik ein „Basisfallwert“ ermittelt. Er zeigt, wie viel Geld sie im Schnitt für die Leistungen benötigt. 2005 gibt es erstmals ein Pendant auf Landesebene, den Landesbasisfallwert – den durchschnittlichen Preis, den die Kassen zahlen.
Bis 2010 werden die unterschiedlichen Preise in fünf Schritten an die Landeswerte angepasst. So genannte Kappungsgrenzen minimieren dabei den finanziellen Effekt: Liegen Kliniken über dem Landesbasisfallwert, werden die Budgets 2005 um maximal ein Prozent gekürzt, dann um 1,5 Prozent, 2,0 Prozent, 2,5 Prozent und 3,0 Prozent.
Das System bringe endlich Transparenz in die Krankenhausvergütung, sagt Frank Heimig, Geschäftsführer des DRG-Instituts. „Man sieht jetzt, was ähnlich schwere Fälle in einem Bundesland kosten.“ Den Kliniken biete der Landesbasisfallwert einen guten Gradmesser – „wie ein Fieberthermometer“ –, um zu sehen, wie wirtschaftlich und effizient sie arbeiten. „Wer 15 Prozent darüberliegt, weiß, dass er Probleme bekommen wird“, sagt Heimig.
„Die Basisfallwerte sind die wesentliche Stellschraube dafür, wie viel Geld in die Kliniken fließt“, sagt Peter Steiner von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Panik der Kliniken, die eine Verschlechterung fürchten, hält er aber für unbegründet. „Die Kappungsgrenze wirkt stark schützend“, sagt er. Die DKG hatte sich im vergangenen Jahr erfolgreich für eine Verlängerung der Umstiegsphase von drei auf fünf Jahre und das System der Kappungsgrenzen stark gemacht.
Gerade diese Faktoren sind den Kassen ein Dorn im Auge. „Dadurch haben wir eine Betonierung bestehender Ineffizienzen“, sagt Wulf-Dietrich Leber, Leiter des Geschäftsbereichs Gesundheit beim AOK-Bundesverband. „Wir haben nicht mehr als einen vorsichtigen Einstieg in das Prinzip ,Gleicher Preis für gleiche Leistung‘“, sagt Leber. Zumindest auf Landesebene werde eine Vergleichbarkeit zwischen den Kliniken geschaffen. Sie hätten genug Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. „Sanfter kann man es gar nicht machen“, sagt er.
Die Landesbasisfallwerte liegen den Universitätskliniken schwer im Magen. „Was die besonderen Leistungen der Spitzenmedizin ausmacht, ist damit schlecht abgebildet”, sagt Andreas Tecklenburg, Geschäftsführer der Medizinischen Hochschule Hannover. Spezialleistungen müssten durch Zuschläge adäquat bezahlt werden, fordert er. Insgesamt würden den deutschen Unikliniken so 650 Mio.Euro entzogen.
Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, kritisiert die großen regionalen Unterschiede. Nordrhein-Westfalen hat den zweitniedrigsten Wert im Westen. „Viele Kliniken stehen jetzt vor der Entscheidung, entweder das Leistungsangebot zu reduzieren oder weiter defizitär zu arbeiten“, sagt er. Leber hält dagegen: „Das Gesamtausgabenvolumen ändert sich durch die Umstellung nicht, sondern es fließt in die effizienteren Häuser.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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