Obwohl deutsche Unternehmen sich im europäischen Vergleich gesellschaftlich sehr stark engagieren, attestieren Experten ihnen ein klares Kommunikationsdefizit in Sachen Corporate Social Responsibility (CSR). In der öffentlichen Wahrnehmung schnei den sie auch deshalb ungenügend ab.
VON Friederike Krieger Spenden für ein Umweltprojekt, Sponsoring des lokalen Fußballvereins: Was die Mitwirkung in der Gemeinschaft angeht, eine der Schlüsseldisziplinen von CSR, steht Deutschland im europäischen Vergleich recht gut da. Das Land kann zwar mit Spitzenreiter Finnland nicht mithalten, wo nach Angaben der Europäischen Kommission rund 83 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen für derlei soziale Zwecke eintreten. Doch mit 54 Prozent liegt das Engagement der deutschen Firmen noch über dem EU-Durchschnitt von 49 Prozent. „In mittelständischen Unternehmen wird eine teilweise über Jahrzehnte praktizierte Unternehmensverantwortung gelebt“, sagt Henry Schäfer, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart.
In der internationalen Debatte um CSR halten sich deutsche Unternehmen jedoch zurück. Dominiert wird das Feld von amerikanischen, britischen und skandinavischen Firmen.
Doch auch auf nationaler Ebene wird das Thema in der Unternehmenskommunikation eher stiefmütterlich behandelt. In einer Untersuchung von 2004 verteilte die Medienanalyse-Agentur Medien Tenor fast ausnahmslos schlechte Noten an die Dax-30-Unternehmen. Zwar beschäftigten sich rund 30 Prozent der analysierten Zeitungsartikel mit den CSR-Aktivitäten der Unternehmen, doch überwiegend berichteten die Journalisten entweder negativ oder neutral über das Engagement der Firmen. Lob dagegen gab es kaum.
Auch die auf CSR spezialisierte Unternehmensberatung Systain sieht Nachholbedarf bei der Kommunikation. „Viele Chancen werden vertan“, sagt Joachim Schlange von Systain. Ein Beispiel seien Kosmetikkonzerne, die schon seit Jahren keine Tierversuche mehr durchführen, dieses allerdings nicht kommunizieren. „In Großbritannien betreiben die Firmen ein wesentlich besseres Marketing“, erzählt er.
Einen Grund für den Kommunikationsunwillen deutscher Firmen sieht Schäfer im unterschiedlichen Verständnis von Sozialverantwortung. „Angelsächsische Unternehmen verstehen das Konzept CSR eher im Sinne eines Gestaltungsrahmens, den sie weitgehend ohne staatliche Bevormundung aktiv ausfüllen können und wollen“, sagt er.
In Deutschland, wo es zahlreiche Gesetze zu Umwelt- und Arbeitsschutz sowie betrieblicher Mitbestimmung gibt, werde soziale Verantwortung von den Firmen oft als Zwang empfunden, auf die Vorgaben reagieren zu müssen. „Über lästige Pflichten spricht man natürlich nicht gern“, sagt Schäfer. Dabei hätten deutsche Firmen gerade durch diese hohen gesetzlichen Anforderungen an die unternehmerische Sozialverantwortung eine ideale Ausgangsposition für CSR.
Auch der unterschiedliche Druck von Seiten des Kapitalmarktes spiele eine Rolle. In den USA gibt es viele Aktionäre, die gezielt nur „Socially Responsible Investments“ tätigen, also nur Aktien von solchen Firmen kaufen, die ihre soziale Mitverantwortung besonders ernst nehmen. „Da in Deutschland solche Strategien nur wenig vertreten sind, besteht für die Unternehmen natürlich auch kein Anreiz, sich in CSR besonders hervorzutun“, sagt Schäfer.
Um das angekratzte CSR-Image aufzupolieren, rät er deutschen Firmen, ihr bestehendes Engagement in Umwelt- und Sozialreports stärker zu betonen. „Zudem müssen die gesamten Geschäftsprozesse CSR-konformer gemacht werden.“ Denn wer mit Meldungen über hohe Managementgehälter und Personalabbau in den Medien erscheine, müsse sich nicht wundern, wenn Selbstverpflichtungen zum sozialen Engagement nicht ernst genommen werden.
Dirk Matten, Inhaber des Lehrstuhls für Business Ethics an der University of London, stellt dagegen in Frage, ob mehr CSR in Deutschland überhaupt erstrebenswert ist. Denn CSR sei immer auch eine Antwort auf einen Rückzug des Staates aus dem Arbeitsmarktbereich. „Für die Produktion hochqualitativer Güter, die die deutsche Wirtschaft stark gemacht haben, sind gesetzliche Regelungen wie das duale Ausbildungssystem nicht wegzudenken“, erzählt er. „Weicht man die zu Gunsten von mehr unternehmerischer Selbstverpflichtung auf, sägt man letztendlich an dem Ast, auf dem man sitzt“, fügt der Experte an.
Zitat:
“ „Die gesamten Geschäftsprozesse müssen CSR-konformer werden“ “ – Henry Schäfer, Universität Stuttgart –
Bild(er):
Eine Elefantenherde zieht durch den Amboseli-Nationalpark in Kenia. Die Herden, häufig 30 Tiere und mehr, werden meist von einem älteren, weiblichen Tier angeführt. Die Leitkuh kennt dank ihrer Erfahrung und ihres guten Gedächtnisses Futter- und Wasserplätze, was jedem in der Gruppe zugute kommt. Droht Gefahr, bilden die stärkeren Tiere eine Art Schutzwall um den Nachwuchs. Auch bei ihren Wanderungen nehmen sie, wie hier zu sehen, die jüngeren Elefanten in ihre Mitte – Mauritius Images/Steve Bloom
Quelle: Financial Times Deutschland
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