Versicherer nutzt konzernweit die Erfahrungen von Töchtern · FTD-Interview mit Vorstand Cucchiani
Von Herbert Fromme und Patrick Jenkins, München Der Allianz-Konzern kann in der Autoversicherung erste Erfolge mit seinem weltweiten Programm für „Sustainability“ (Nachhaltigkeit) aufweisen. „In unserem Kompetenzzentrum für Schadenbearbeitung lag der erzielte Nutzen um 24 Prozent über unseren Zielen“, sagte Allianz-Manager Enrico Cucchiani der FTD. Das Programm für eine nachhaltige Steigerung des Gewinns gehört zu den weit reichenden Veränderungen, die Konzernchef Michael Diekmann der Allianz verordnet hat.
Cucchiani ist Chef der italienischen Tochter Lloyd Adriatico und ab Januar Vorstand der neuen Obergesellschaft Allianz SE. Er leitet das Sustainability-Programm für die Schaden- und Unfallversicherung, das sich im ersten Schritt auf die Autoversicherung konzentriert.
„Allianz war immer eine Art Föderation von Gesellschaften“, sagte Cucchiani im Interview mit FT und FTD. „Jetzt werden wir ein Unternehmen.“
Bis 2008 will Diekmann konzernweit den Gewinn um 480 Mio. Euro pro Jahr durch das Sustainability-Programm in der Schaden- und Unfallversicherung steigern. Dazu kommen noch 250 Mio. Euro in der Lebensversicherung. Das ist unabhängig von den Kostensenkungen, die durch den Umbau in Deutschland und dem damit verbundenen Stellenabbau geplant sind.
„Bei Sustainability geht es nur zu 20 Prozent um Kostensenkungen, zu 80 Prozent um höhere Effektivität“, sagte Cucchiani. Für das Programm hat der 55-jährige früherere McKinsey-Berater ein „internes McKinsey“ aus knapp 40 Mitarbeitern aufgebaut. Die Mehrzahl von ihnen stammt nicht aus Deutschland. „Brillante Leute kommen etwa aus Indien.“
Die Arbeit sei vergleichbar mit der eines Autokonzerns wie Toyota. „Wenn jede Fabrik eine andere Schweißtechnik oder Verkabelung verwenden würde, wenn unterschiedliche Komponenten für die Elektronik oder die Bremsen eingesetzt würden und es keinen zentralen Einkauf gäbe, dann würde Toyota deutlich weniger Gewinn machen.“ Cucchiani soll die jeweils besten Methoden bei Allianz-Töchtern finden und sie konzernweit durchsetzen.
Es gebe etwa 600 bis 700 Stellschrauben, die man verändern könne, um die Effizienz zu steigern. „Man muss die gesamte Wertschöpfungskette verstehen, von der Produktentwicklung, Tarifberechnung, Risikobeurteilung, Schadenbearbeitung, IT, Vertrieb, Kultur.“
Als Beispiel verwies Cucchiani auf die Türkei. Wegen der dort relativ hohen Inflationsrate müsste die dortige Allianz-Tochter neue Tarife innerhalb eines Tages auf den Markt bringen. Andere Gruppenmitglieder brauchen dafür eine Woche. Das türkische System gilt jetzt als Vorbild.
Lloyd Adriatico habe sich in der Risikobeurteilung hervorgetan. Pkw mit eingebauten elektronischen Stabilisierungs- und Bremssystemen sind 10 bis 15 Prozent weniger häufig in Unfälle verwickelt als andere. Lloyd gab den Fahrern fünf Prozent Rabatt und steigerte Umsatz und Gewinn. In Deutschland habe die Allianz ein Verfahren entwickelt, um durch eine Analyse der bei einem Aufprall beschädigten Fahrzeugteile die Wahrscheinlichkeit eines Schleudertraumas bei einem Unfallopfer herauszufinden, sagte er. Dadurch könne der Versicherer unberechtigte Ansprüche auf Schmerzensgeld abwehren.
Ein weiteres Beispiel zur Effizienzsteigerung sei die „verhaltensgesteuerte Preisfindung“. Dabei geht es darum herauszufinden, welche Kunden bei Preiserhöhungen wechseln und welche bleiben.
Die Risiken bei der Einführung neuer Methoden seien beträchtlich, so Cucciani. „Es gibt natürlichen Widerstand gegen Veränderungen“, sagte er. „Wenn wir die Chefs der Tochtergesellschaften vor einem Jahr mit diesen Kompetenzzentren konfrontiert hätten, wären alle Schilde hochgegangen. Aber inzwischen haben sie erkannt, dass sie durch die Zusammenarbeit ihre Ergebnisse deutlich verbessern können.“
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Allianz-Manager Enrico Cucchiani leitet ein Team, das die weltweit besten Erfahrungen der Allianz-Töchter bündeln soll. – Guido Krzikowski
www.ftd.de/allianz
Quelle: Financial Times Deutschland
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