Am 17. Januar beginnt der Prozess gegen Peter Hartz. Dem einstigen VW-Manager drohen wegen Untreue und Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds bis zu fünf Jahre Haft. Die FTD hat Einblick in die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft nehmen können, mit der die Ermittler das Gericht von der Aufnahme des Prozesses überzeugen konnte
Von Kristina Spiller, Sven Clausen, Hamburg, und Herbert Fromme, Köln Seit eineinhalb Jahren versucht die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die VW-Affäre um Korruption und Lustreisen bei dem Autokonzern aufzudecken. Heute in zwei Wochen steht mit dem ehemaligen Volkswagen-Personalvorstand Peter Hartz die erste Schlüsselfigur des Skandals vor Gericht, am 25. Januar könnte schon das Urteil fallen. In einer 63 Seiten umfassenden Anklageschrift vom 7. November, in die die FTD intensiven Einblick hatte, wirft die Staatsanwaltschaft Hartz 44 Fälle von Untreue und Begünstigungen des Betriebsrats vor. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft.
Im Umfeld der Verhandlungen wird erwartet, dass der einstige VW-Vorstand eine mehrjährige Bewährungsstrafe erhält. Hartz hatte die Schuld für ungerechtfertigte Sonderboni an den Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert auf sich genommen. 1,95 Mio. Euro soll er Volkert innerhalb von zwölf Jahren neben dessen Gehalt gezahlt haben. Damit habe der mächtige Betriebsratschef ähnlich wie die VW-Topmanager bezahlt werden sollen, sagte Hartz aus. Das habe Volkert gefordert, dessen Wort bei Entscheidungen im Konzern Gewicht hatte.
Wird Hartz verurteilt, bereitet dies der Staatsanwaltschaft den Boden, weitere Beschuldigte anzuklagen, die mit derselben Straftat verbunden sind. So will die Behörde bis Ende Januar entscheiden, ob gegen Volkert Anklage erhoben wird. Auch dem Ex-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer sowie weiteren Beschuldigten droht eine Anklage.
Die Branche bewegt jedoch eine andere brisante Frage: Was wusste Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der einst VW selbst lenkte? Im Konzern gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass keine wichtige Entscheidung ohne Wissen des Übervaters Piëch fällt. Hätte er dann nicht auch von der missbräuchlichen Bevorzugung Volkerts wissen müssen?, fragen Skeptiker im Konzern, die nicht an Hartz‘ Alleintäterschaft glauben mögen. Die Arbeitnehmer haben traditionell viel Macht im Wolfsburger Konzern. Gemeinsam mit Piëch setzten sie schon häufig ihre Interessen durch – ebenso wie andersherum. Für VW war ein gefügiger Betriebsratschef daher enorm wichtig.
In seiner Anhörung Ende März 2006 berief sich Piëch darauf, dass er sich an Vorgänge wie einer persönlichen Forderung Volkerts nach mehr Geld nicht erinnern könne. Er delegiere solche unliebsamen Dinge lieber an andere. Es gebe bisher für die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte, dass Piëch in die Affäre verwickelt sei, heißt es im Umfeld der Ermittlungen zu dem Bestechungsskandal. Über die Behandlung Volkerts im Konzern hat es offenbar lediglich mündliche Abmachungen gegeben, ist aus den Zeugenvernehmungen erkennbar.Euro
Vorerst bleibt es also bei der Aussage von Hartz, er habe 1995 allein beschlossen, Volkert die Sonderboni zu zahlen. Zudem sagte Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder aus, Hartz hätte den Missbrauch der Vertrauensspesen erkennen müssen. Der Konzern hatte Volkert wie sonst Topmanagern sogenannte Vertrauensspesen ermöglicht, die er nach eigenem Ermessen und ohne Kontrolle abrechnen konnte. Der ehemalige Personalmanager Gebauer sagte aus, er habe Volkert im Auftrag von Hartz jeden Wunsch erfüllen sollen und über dessen Vertrauensspesen auch Lustreisen per Eigen- oder Ersatzbelege abgerechnet.
Am 17. Januar will die Strafkammer im Prozess gegen Hartz ein schnelles Verfahren erreichen. Aus dem Umfeld der Beteiligten heißt es, Hartz müsse wohl nicht öffentlich aussagen, da er bereits die Schuld auf sich genommen habe. Eine Woche später könnte das erste Urteil in der Affäre dann bereits fallen.
Bild(er):
Bild aus ruhigeren Tagen: Viele Beobachter fragen sich inzwischen, ob auch der damalige VW-Chef Ferdinand Piëch von den Vorgängen um Peter Hartz etwas wusste
www.ftd.de/vw
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Hintergründe zum Hartz-Prozess
Quelle: Financial Times Deutschland
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