Neue Struktur soll toxische Unternehmensteile von der Assekuranz trennen ·Politische Aufarbeitung läuft
Von Herbert Fromme, Köln
Der schwer angeschlagene US-Versicherer American International Group (AIG) könnte in naher Zukunft in einen Industrieversicherer mit neuen Eigentümern, aber ohne Staatshilfe sowie eine Abwicklungsgesellschaft für die Altlasten aufgeteilt werden, die vom amerikanischen Staat getragen wird. In Versicherungskreisen hieß es, die Anfang der Woche von AIG in Absprache mit der US-Regierung festgelegte Neuorganisation lege eine solche Aufspaltung nahe. Damit entstünde neben dem Versicherer AIG eine „Bad AIG“. „Nur so kann AIG als Versicherer überleben“, sagte ein Vorstandsmitglied eines Wettbewerbers. Das neue Unternehmen könne man nur über einen Börsengang wieder privatisieren. „Für einen einzelnen Aufkäufer ist das zu groß.“
Derzeit stützt der Staat den Konzern, der sich mit der Absicherung von Kreditderivaten in Höhe von 440 Mrd. $ verhoben hatte, mit 163 Mrd. $. Am Montag hatte AIG mit 62 Mrd. $ einen Rekordverlust für das vierte Quartal 2008 gemeldet.
AIG legt jetzt die gesamte Schaden- und Unfallversicherung weltweit einschließlich der USA in der neuen Gesellschaft AIU Holdings zusammen. So bündelt die US-Regierung das eigentliche AIG-Kerngeschäft – die Abdeckung von Gebäuden, Autos, Maschinen sowie Haftpflichtrisiken. Deutschlandchef Joost Vink hat die Trennung von der alten AIG mental bereits vollzogen. In einer E-Mail an Kunden sprach er davon, „die Sachversicherungseinheiten zukünftig unabhängiger von AIG und transparenter zu positionieren“.
Die in der neuen Holding zusammengeführten Gesellschaften haben 44 000 Mitarbeiter, die 2008 einen Umsatz von 45 Mrd. $ erzielten. „Zu keiner Zeit benötigten diese Unternehmen Kapital aus dem zwischen der US-Regierung und AIG vereinbarten Finanzpaket“, so Vink weiter. Er nannte auch erstmals Zahlen zur AIG Europe, die auch in Deutschland tätig ist. Sie habe 2008 Beitragseinnahmen von 3,3 Mrd. Euro erzielt, einen Zuwachs von 15 Prozent. Die kombinierte Schaden- und Kostenquote lag bei 90 Prozent der Beiträge.
Der Absetzbewegung von der alten AIG hat gute Gründe. Bislang gelang es dem Management, die Position in der internationalen Industrieversicherung vergleichsweise gut zu halten. Allerdings machen die fortgesetzten Probleme aus dem Nichtversicherungsbereich und die immer neuen Löcher, die Washington stopfen muss, das Geschäft schwieriger. Trotz Halteprämien verlassen Fachleute den Konzern. Eine völlige Separierung von Versicherer und „Bad AIG“ wäre der Befreiungsschlag.
Gleichzeitig versucht die Regierung, der mehr als 80 Prozent von AIG gehören, einen Teil der gigantischen Hilfspakete durch Verkäufe von Tochterunternehmen wieder hereinzuholen. Angesichts der Finanzkrise ist das Interesse aber eher zäh. Am Donnerstag stoppte AIG den Verkaufsprozess für American Life Insurance. Intern teilte der Konzern mit, man werde den Lebensversicherer 2010 an die Börse bringen.
In den USA begann am Donnerstag die Aufarbeitung des Skandals durch Anhörungen im Senat. „Dass wir uns in dieser Lage befinden, davon wird mir und vielen meiner Wähler ganz schlecht“, sagte Christopher Dodd, demokratischer Vorsitzender des Bankenausschusses.
Donald Kohn, Vizechef der Notenbank Fed, verteidigte die Rettung. „Eine AIG-Insolvenz würde unnötige und spürbare Verluste für viele Einzelpersonen, Haushalte und Firmen bedeuten, würde die Finanzmärkte in Turbulenzen stürzen und Sorgen und Unsicherheiten über die Lebensfähigkeit unserer Finanzinstitute erhöhen“, sagte er. „Wir hatten keine Wahl.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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