Zusammenlegung von Töchtern spart Eigenkapital · Gewinn schrumpft deutlich im zweiten Quartal
Von Herbert Fromme, Köln
Der Allianz-Konzern prüft eine grundlegende Veränderung seiner Struktur in Europa. „Die Entscheidungen dazu sind noch nicht gefallen“, sagte Konzernchef Michael Diekmann in einer Telefonkonferenz anlässlich der Vorstellung der Halbjahreszahlen am Freitag. Er versicherte, auch zum Standort einer möglichen Europagesellschaft sei bislang nichts beschlossen worden.
Diekmann verwies auf die Erfahrung, die der Konzern mit seinem Kreditversicherer Euler-Hermes und seinem Reise- und Assistance-Spezialisten Mondial gesammelt habe. Beide sind bereits seit Jahren mit nur einem Versicherer in mehreren Ländern in Europa tätig.
Mit der Zusammenlegung von Gesellschaften aus verschiedenen Ländern würde der größte Assekuranzkonzern Europas sehr viel Eigenkapital einsparen, das er zurzeit in den verschiedenen Tochtergesellschaften vorhalten muss. Gerade unter den neuen Eigenkapitalregeln der EU, die unter dem Namen Solvency II eingeführt werden, ist das sinnvoll. Eine solche Zusammenlegung „könnte eine der Aktivitäten sein, mit Solvency II umzugehen“, sagte Diekmann.
Langfristig sind auch Einsparungen durch das Bündeln von Verwaltungsfunktionen möglich. Vorbild ist Zurich, die Nummer vier in Europa. Der Konzern hat alle Schaden- und Unfallversicherer, die Gebäude, Autos oder Haftpflichtrisiken abdecken, in einer Gesellschaft in Dublin zusammengefasst. In den einzelnen Ländern agieren nur noch Niederlassungen, keine eigenen Versicherer mehr. Auch deutsche Zurich-Kunden sind demnächst in Dublin versichert, die Gesellschaft unterliegt nur der irischen Versicherungsaufsicht.
Die Allianz ist allerdings in einer anderen Lage als der Schweizer Konkurrent. Ihr europäisches Reich besteht aus einer Reihe von führenden Gesellschaften in den einzelnen Ländern, die das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaufte. Dazu gehören die einstige AGF in Frankreich und die RAS in Italien. Die Herunterstufung zu einfachen Niederlassungen würde nationale Eitelkeiten treffen und könnte auch Widerstand in der Politik hervorrufen. Das gilt erst recht, wenn der Konzern entscheiden würde, die europäische Zentralgesellschaft steuergünstig in Irland oder Luxemburg anzusiedeln.
Überraschend verlangte der Allianz-Chef auch eine Verschiebung des Einführungszeitpunkts für Solvency II. Die EU-Kommission plant, die Reform 2013 in Kraft zu setzen. „Hier gibt es insgesamt noch erheblichen Diskussionsbedarf, der möglicherweise auch den Zeitplan für die Einführung von Solvency II infrage stellen könnte“, sagte Diekmann. Das neue System dürfe, zusammen mit den ebenfalls geplanten neuen Bilanzregeln für die Branche, weder zu überzogenen Kapitalanforderungen noch zu einer höheren Volatilität in den Jahresabschlüssen führen, sagte er.
Die Stellungnahme des Chefs der größten Versicherungsgruppe Europas hat umso mehr Gewicht, als die Allianz in den vergangenen Jahren Solvency II stark unterstützt hatte. Ex-Finanzchef Helmut Perlet gilt als einer der Ideengeber.
Im zweiten Quartal 2010 ging der Gewinn der Allianz deutlich zurück – und zwar auf 1,1 Mrd. Euro von 1,9 Mrd. Euro im Vorjahrszeitraum. Finanzchef Oliver Bäte begründete das mit „bewusst geringeren realisierten Gewinnen aus Kapitalanlagen“. Die Aussagekraft von Quartalszahlen ist bei Versicherern und Rückversicherern sehr eingeschränkt.
Konzernchef Diekmann sagte, die Allianz werde das Ziel eines operativen Gewinns von 7,2 Mrd. Euro im Jahr 2010 mit einer Schwankungsbreite von 500 Mio. Euro erreichen. Im ersten Halbjahr verdiente der Konzern operativ 3,9 Mrd. Euro. Der Umsatz stieg um 12,2 Prozent auf 56 Mrd. Euro, im Wesentlichen eine Folge höherer Einnahmen der Lebensversicherer und der Vermögensverwaltung.
Quelle: Financial Times Deutschland
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