Fukushima-Betreiber Tepco hat keine Sachversicherung für Kernkraftwerkeabgeschlossen // Erdbeben- und Tsunamischäden sind ohnehin ausgeschlossen
Herbert Fromme , Köln
Die drohende Nuklearkatastrophe in Japan wird die Versicherungswirtschaft kaum treffen. Das sagte Dirk Harbrücker, Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft (DKVG) in Köln, der FTD. „Bei der Versicherung von Schäden an den Reaktoren und Gebäuden sind die Folgen von Erdbeben und Tsunamis ausgeschlossen“, sagte Harbrücker.
Dazu kommt: Der Kraftwerksbetreiber Tepco, ein finanzstarkes japanisches Unternehmen, hat nach Angaben aus Rückversicherungskreisen seit September 2010 keine Sachversicherung für seine Kraftwerke mehr gekauft, sondern zahlt Schäden an den Werken selbst.
Tepco gehören zwei der drei jetzt von Zerstörung bedrohten Anlagen. Ausgeschlossen ist auch, dass die Haftpflichtversicherer des Unternehmens einspringen: Sie müssen bei den Auslösern Erdbeben und Tsunami nicht zahlen. Sie sind vertraglich ausgeschlossen. Den größten Teil des Schadens dürfte auf die Betroffenen und die japanische Regierung entfallen.
Mit dem Verzicht auf Sachversicherungen folgte das Unternehmen der Politik des Ölgiganten BP. Der Konzern hatte bislang ebenfalls kaum Versicherungen eingekauft und damit argumentiert, er sei finanzstark genug. Eine Versicherung könne außerdem keine ausreichende Deckung bieten. Wegen der Ölkatastrophe nach der Explosion der Plattform „Deepwater Horizon“ 2010 musste BP mindestens 20 Mrd. Dollar Schadensersatz zahlen. Dabei traf das Argument des Unternehmens zu: Kein Versicherer hätte eine derart hohe Summe abgedeckt: Die Versicherer winkten bei Anfragen über 1,5 Mrd. Dollar regelmäßig ab. Jetzt planen große Rückversicherer Tiefseebohrungen zumindest bis 10 Mrd. Dollar zu versichern.
Tepco hatte bereits 2007 mit einem bedeutenden Erdbebenschaden in einem Atomkraftwerk zu kämpfen. Das Werk Kashiwazaki-Kariwa blieb für 21 Monate abgeschaltet, nachdem ein Beben mit der Stärke 6,8 bedeutende Schäden angerichtet hatte.
Der deutsche Atompool DKVG deckt als Rückversicherer auch Risiken in Japan. In der 1957 gegründeten Organisation haben sich 35 deutsche Versicherer und Rückversicherer zusammengeschlossen. Neben Schutz für Atomkraftwerke im eigenen Land übernimmt die DKGV Anteile an Atomrisiken im Ausland. Weltweit gibt es 26 Atompools. „Wir sind auch in Japan aktiv, aber wir haben aus den aktuellen Ereignissen keinen Schaden“, sagte Harbrücker.
In Deutschland versichern private Anbieter einschließlich der DKVG Sachschäden an Kernkraftwerken bis zu 1,1 Mrd. Euro. Kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem Dritte geschädigt werden, zieht die Haftpflichtversicherung. Hier deckt die private deutsche Versicherungswirtschaft in Gestalt der DKVG höchstens die bescheidene Summe von 256 Mio. Euro. Weitere 2,44 Mrd. Euro zahlen die vier Kernkraftwerksbetreiber EnBW, Eon, RWE und Vattenfall nach einer komplexen Solidarvereinbarung. So würden insgesamt 2,5 Mrd. Euro zusammenkommen. Ist der Schaden höher, haftet seit Anfang der 80er-Jahre der Betreiber des jeweiligen Kernkraftwerks unbegrenzt mit seinem gesamten Vermögen. Dabei besteht eine Durchgriffshaftung, sodass die Energiekonzerne die Betriebsrisiken für Kernkraftwerke nicht an gering kapitalisierte Töchter abschieben können.
Bei allen Stufen der Deckung gilt das Prinzip der Gefährdungshaftung: Demnach muss der Kraftwerksbetreiber bei Schäden beweisen, dass er nicht der Verursacher ist – und nicht umgekehrt der Geschädigte, dass tatsächlich das Kraftwerk bei ihm einen Gesundheits- oder Sachschaden verursacht hat. „Bislang hat es nennenswerte versicherte Haftpflichtschäden in Deutschland nicht gegeben“, sagte Harbrücker.
Quelle: Financial Times Deutschland
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