Größter Krankenversicherer will Wechsel in andere Tarife erleichtern //Reaktion auf Kritik
Ilse Schlingensiepen
und Herbert Fromme, Köln
Die Deutsche Krankenversicherung (DKV) will den Tarifwechsel erleichtern. Der Marktführer in der privaten Krankenversicherung (PKV) zeigt ab Herbst den Kunden individuell über das Internet, in welche gleichartigen Tarife sie wechseln können. Das sagte Vorstandschef Clemens Muth der FTD. „Wir müssen die Themen anfassen, die an der PKV kritisiert werden.“
Mit der neuen Offenheit geht das Unternehmen ein Tabuthema der Branche frontal an. Alle Kunden haben das gesetzliche Recht, bei ihrem Versicherer einen anderen Tarif zu wählen. Da der Wechsel aber meist mit einer geringeren Prämie verbunden ist, sehen die meisten Anbieter das nicht gern. Sie halten Kunden hin, reagieren nicht auf Anfragen oder warnen vor angeblichen Nachteilen.
Diese Praxis bringt der PKV heftige Angriffe von Verbraucherschützern und Politikern ein. „In der Vergangenheit ist das bei uns nicht immer optimal gelaufen. Auf die Kritik müssen wir eine Antwort finden“, sagte Muth. Ab Frühjahr 2013 geht die DKV noch einen Schritt weiter. Dann will sie ihren Kunden auch zeigen, was die anderen Tarife konkret in Euro und Cent kosten – fast eine direkte Einladung zum Wechsel.
Muth beugt sich damit auch politischem Druck. SPD und Grüne wollen das duale Modell von PKV und gesetzlichen Kassen abschaffen, selbst in der CDU hat es immer weniger Freunde. Der DKV-Chef will die PKV aus sich heraus reformieren und damit den Kritikern entgegenkommen. Dringenden Handlungsbedarf sieht er deshalb auch beim Leistungsumfang des privaten Schutzes. „Wir müssen einen Mindeststandard definieren“, fordert er von seiner Branche.
Damit zielt Muth auf die Billigtarife, von denen sich die DKV 2011 verabschiedet hat. Sie bieten nur eine Schmalspurdeckung und sind in Kernpunkten oft schlechter als die gesetzlichen Kassen. Muth hofft, dass solche Angebote bald komplett vom Markt verschwinden. Die Versicherer sollten bereit sein, auf bestimmtes Geschäft zu verzichten: „Wir müssen manchen Menschen sagen, dass sie in der gesetzlichen Krankenversicherung einfach besser aufgehoben sind.“
Um die Dauerdebatte über die steigenden PKV-Beiträge im Alter zu entschärfen, hält er Änderungen am Kalkulationsverfahren für notwendig. Wie Rivale HUK-Coburg findet er es sinnvoll, die Kosten der medizinischen Teuerung von Anfang an in die PKV-Prämien einzurechnen: „Das würde die Beiträge zwar heute erhöhen, täte aber auf lange Sicht gut.“ Ob die DKV wie die HUK-Coburg bei diesem Thema vorangehen will, ließ Muth offen. „Idealerweise sollten wir es branchenweit machen“, sagte er.
Die DKV setzt zwar weiter auf die Vollversicherung. Dort will sie den leicht sinkenden Bestand stabilisieren. Aber das Wachstum sucht Muth in der Zusatzversicherung für gesetzlich Versicherte. „Wir wollen unsere Produktpalette deutlich erweitern“, sagte er. In der betrieblichen Krankenversicherung, bei der Beschäftigte über den Arbeitgeber Policen abschließen, werde es neue Angebote geben, bei denen die DKV auf die Gesundheitsprüfung verzichtet. Außerdem sind die Policen ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert und deshalb billiger. „Ich sehe die betriebliche Krankenversicherung als absolutes Wachstumsfeld“, sagte Muth.
2011 fiel die Zahl der Vollversicherten bei der DKV um 11 000 auf rund 900 000, die der Zusatzpolicen stieg um 1,3 Prozent auf 3,5 Millionen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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