Von Herbert Fromme, Köln Mit Unruhe betrachten US-Versicherer die Schlammschlacht zwischen dem bankrotten Energiekonzern Enron und den langjährigen Wirtschaftsprüfern Arthur Andersen.
Die Frage ist: Können US-Investoren, die Milliarden verloren haben, Ansprüche gegen Arthur Andersen stellen, weil die Prüfer offenbar schon früh von Irregularitäten bei Enron wussten und sie nicht enthüllten? Müssen die Haftpflichtversicherer von Andersen dafür zahlen? „Es wird auf jeden Fall einen Rechtsstreit geben“, sagte ein US-Rückversicherer. Bei kriminellen Handlungen der Wirtschaftsprüfer müsse kein Versicherer leisten. „Trotzdem gibt es dann noch genügend Punkte, an denen es nur um fahrlässiges Handeln geht. Dafür müssten die Versicherer dann doch eintreten.“ Das Ergebnis: „Es wird irgendwann eine Einigung geben.“ Dabei könnte durchaus ein Schaden von über 200 Mio. $ herauskommen.
Auch deutsche Versicherer könnten betroffen sein – mit dem Argument lehnt der Gerling-Konzern jede Stellungnahme zum Thema ab. Den Trend zu höheren Schäden erlebt die Branche auch hier, wenn auch bisher in deutlich kleineren Dimensionen.
Alle deutschen Wirtschaftsprüfer müssen eine Haftpflichtversicherung abschließen, die mindestens 1 Mio. Euro für Schäden aus Prüfungen abdeckt. Das entspricht der gesetzlich festgelegte Höchsthaftung von 2 Mio. DM (jetzt eine 1 Mio. Euro) für gesetzlich vorgeschriebene Buchprüfungen. Bei der Prüfung von börsennotierten Aktiengesellschaften haften sie mit höchstens 4 Mio. Euro.
Von den Milliardenverlusten am neuen Markt wären also nur Bruchteile von den Wirtschaftsprüfern zu holen – wenn es denn überhaupt gelänge, ihnen ein Verschulden oder Fahrlässigkeit beim Nachrechnen der Jahresabschlüsse nachzuweisen.
Anders sieht es aus bei den übrigen Aktivitäten der Prüfer, zum Beispiel der steuerlichen Beratung oder der Bewertung von Firmenwerten und anderen Vermögensgegenständen. Anleger oder Banken, die auf Grund von Gutachten investieren oder beleihen, haben gute Chancen, bei Fehlverhalten der Prüfer Schadenersatz zu erstreiten. So zahlte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Mai 2001 insgesamt 100 Mio. DM an die Opfer der Flowtex-Betrüger – dafür musste kein Versicherer in die Tasche greifen.
Die meisten Wirtschaftsprüfer in Deutschland sind bei der Versicherungsstelle Wiesbaden abgesichert. Der Pool für Prüfer und Steuerberater wird von der Allianz mit zwei Tochtergesellschaften sowie der Axa, der R+V und der Victoria, die zur Münchener Rück gehört, getragen. Er hatte 2001 etwa 80 Mio. DM Prämieneinnahmen. Bei den 4500 aktiven individuellen Wirtschaftsprüfern und 1900 Prüfungsgesellschaften hält Wiesbaden einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Neben dem Pool sind auch einzelne Versicherer in diesem Feld tätig, darunter Gerling und Gothaer.
Der Markt ist seit Jahren defizitär – deshalb hob die Versicherungsstelle auch Anfang diesen Jahres erneut die Beiträge an, nach einem kräftigen Schub im Jahr 1999. Das ist nach Ansicht von Insidern immer noch nicht genug. Mit Schadenquoten von über 150 Prozent müssen die Pool-Versicherer für jeden Prämien-Euro mehr als 1,50 Euro auszahlen, dazu kommen noch sieben Prozent für die Verwaltung und weitere sieben Prozent Makler-und Vertriebskosten.
Die Wirtschaftsprüferbranche stöhnt trotzdem. Anfang der achtziger Jahre betrugen die Prämien im Durchschnitt 3000 DM, jetzt erreichen sie schon oft 10 000 DM.
Da kommt es leicht zu der Mär, die kleineren Unternehmen und Prüfer subventionierten Riesenschäden der Großunternehmen. Das Gegenteil ist richtig: In den Jahren 1995 bis 1999 zahlten die „Big Five“ der Zunft zwischen 30 und 40 Prozent der Beiträge, verursachten aber nur zwischen 9 und 14 Prozent der Schäden, so eine interne Berechnung der Versicherungsstelle. „Das Schadenrisiko ist der pensionierte Vorstand einer Wirtschaftsprüfergesellschaft, der keine Umsätze erzielt, aber trotzdem Gefälligkeitsberatungen durchführt und hierbei eine Schadenszahlung von 310 000 DM bei einem Jahresbeitrag von 108 DM verursacht“, heißt es in einer Untersuchung des Wiesbadener Pools. Daneben stehe die Großgesellschaft, die bei einer Jahresprämie von 6 Mio. DM auch schon mal Schäden von 9,5 Mio. DM verursache. Die Risikolage sei eben äußerst inhomogen und beruhe aber auf einer sehr kleinen Zahl von Risiken – das Rezept für sehr sprunghafte Entwicklungen auch in der Zukunft.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo