Süddeutsche Zeitung NRW-Wirtschaft
SZ-Gespräch mit NRW-Ärzte-Chef Rudolf Henke
Private Betreiber großer Krankenhausketten werden in Zukunft verstärkt nach Nordrhein-Westfalen schauen, wenn sie nach neuen Übernahmekandidaten suchen. Denn viele Kliniken im Lande sind so schlecht ausgestattet, dass sie im Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern auf finanzkräftige Investoren angewiesen sind.
„Das Problem der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser ist die über Jahre vernachlässigte Infrastruktur und fehlende Investitionen“, sagte der Aachener Krankenhausarzt Rudolf Henke. Henke ist Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein – zuständig für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln – und Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Die Schuldzuweisung an die Landesregierung kommt Henke leicht über die Lippen, sitzt er doch für die CDU im Düsseldorfer Landtag. Zwar steht es um die Investitions-und Instandhaltungsförderung der Krankenhäuser in den meisten Bundesländern – mit Ausnahme Bayerns – schlecht. Doch in keinem anderen Land sei die Pro-Kopf-Ausstattung der Krankenhäuser so schlecht wie in Nordrhein-Westfalen, sagt Henke.
„Ich bin mir sicher, dass die NRW-Häuser durch den langjährigen Investitionsstau zu einer fetten Beute für private Investoren gemacht worden sind.“ Da helfe es auch nicht viel, dass im Landeshaushalt 2002 die Mittel für den Klinikbereich zum ersten Mal seit Jahren deutlich aufgestockt wurden. Sie betragen 256 Millionen Euro, 92 Millionen Euro mehr als in 2001. Nach Schätzung Henkes beläuft sich der Investitionsstau in den Krankenhäusern aber inzwischen auf 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kommt eine weitere Milliarde Euro in den Universitätskliniken.
Grundsätzlich ist nach Ansicht des Ärztevertreters gegen die private Trägerschaft bei Krankenhäusern nichts einzuwenden, vorausgesetzt die Mediziner bleiben in ihren Entscheidungen zu Therapie und Diagnose vollständig unabhängig. In einer seiner Herzensangelegenheiten werde der Trend zur Privatisierung aber keinen Fortschritt bringen, so Henke. „Als Marburger Bund haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Abschluss und die Einhaltung von Tarifverträgen sich bei privaten Trägern deutlich schwieriger gestalten.“
Die Arbeitsbedingungen vieler Klinikärzte sind heute schon alles andere als rosig, in der Regel können sie von einer 40-Stunden-Woche nur träumen. Die Ärzte wollen es nicht länger hinnehmen, dass auf ihre Kosten in den Krankenhäusern permanent gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen wird. Durch die Kombination von normalen Diensten auf der Station und Bereitschaftsdiensten sind die Mediziner manchmal 30 Stunden hintereinander auf den Beinen. Dass dies nicht im Sinne einer optimalen Patientenbetreuung sein kann, liegt auf der Hand. Doch die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes würde laut Henke allein die nordrhein-westfälischen Kliniken 300 Millionen Euro kosten und die Neueinstellung von 4000 Ärzten erfordern. Offen ist, woher dieses Geld kommen soll.
Nicht nur der sich von allen Seiten verschärfende finanzielle Druck belastet die Kliniken. Noch in diesem Jahr stellt sich für einige von ihnen die Schicksalsfrage. Denn um vermutete Überkapazitäten abzubauen, haben sich Landesregierung, Krankenkassen und Krankenhausträger im „Landesausschuss für Krankenhausplanung“ darauf verständigt, im gesamten Bundesland 9 500 der heute 119 000 Krankenhausbetten abzubauen. Folge dieses Beschlusses wird sein, dass eine Reihe von Kliniken komplett geschlossen werden, andere werden bestimmte Abteilungen schließen müssen.
Unklar ist noch, in welchem Ausmaß die einzelnen Regierungsbezirke vom Bettenabbau betroffen sind. Bis jetzt sind sich die Mitglieder des Landesausschusses noch nicht einmal über die anzuwendende Rechenmethode einig. Eine Arbeitsgruppe tagt derzeit darüber. Kommt sie schließlich doch zu einem Ergebnis, muss sie einen Vorschlag für das Landesgesundheitsministerium formulieren, das dann die eigentliche Entscheidung trifft. Doch das Ministerium wird damit keine Eile haben, vermutet Henke. „Man wird dort den Zeitplan so gestalten, dass die schmerzhaften Entscheidungen nicht vor der Bundestagswahl am 22. September sichtbar werden.“
Ilse Schlingensiepen
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Quelle: Financial Times Deutschland
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