Die meisten Container gehen nach wie vor über Rotterdam · Debatte um Wilhelmshaven · Reeder erwarten Schub durch Ost-Erweiterung der EU
Größte Wachstumsrate unter den Nordseehäfen“ – „weitere Marktanteile gewonnen“ – „neuer Umschlagrekord bei Containern erwartet“: Die Nachrichten aus den größten deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven strotzen vor Selbstbewusstsein. Dazu haben die Betreiber auch allen Grund. Zwar ist Rotterdam noch immer der wichtigste Umschlagplatz für Container in Europa, doch die Deutschen haben energisch aufgeholt.
In Hamburg gingen im vergangenen Jahr zum ersten Mal mehr als fünf Millionen Standardcontainer, so genannte TEU (twenty foot equivalent units), über die Kaimauern, genau 5 373 999. Das waren 14,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Hamburg profitierte dabei vor allem von seiner Stärke im Verkehr mit Fernost und dem Ostseeraum, erklärt Jürgen Sorgenfrei, Chef von Hamburg Hafen Marketing. „Wir sind die Brücke zwischen den beiden wachstumsstarken Regionen.“ Hier wird die Ladung aus Fernost auf kleinere Zubringerschiffe, die so genannten Feeder, umgeladen, die dann die einzelnen Häfen in der Ostsee ansteuern.
Die Dominanz der USA als Zielhafen sorgte in Bremerhaven im letzten Jahr für eher bescheidenes Wachstum. Wegen der schwächelnden US-Wirtschaft stieg der Containerumschlag nur von 2,91 Millionen TEU auf 2,99 Millionen TEU. „Das ist für uns kein Grund zur Sorge“, beruhigt Rüdiger Staats von der Hafengesellschaft Bremenports. Immerhin erwirtschaftete der Hafen in den Jahren davor, zwischen 1998 und 2001, im Containerverkehr ein Wachstum von insgesamt mehr als 60 Prozent. Dazu trug vor allem der North Sea Terminal bei, an dem die weltgrößte Container-Reederei Maersk Sealand zu 50 Prozent beteiligt ist. Und der Hafen hat als zweites Standbein den Autoumschlag, bei dem er in Europa führend ist.
Geht es nach Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen, können die deutschen Häfen auch weiterhin optimistisch in die Zukunft sehen. Zwar laufen immer größer werdende Containerschiffe aus Kostengründen immer weniger Häfen an, aber Hamburg und Bremerhaven haben gute Chancen, dazuzugehören. „Die großen Schiffe finden ihre Einsatzgebiete vor allem in der Fahrt zwischen Europa und Fernost“, erklärt Lemper. „Daher wären die deutschen Häfen ein Endpunkt der Rundreise, der eine möglichst lange Nutzung des Schiffes gewährleistet.“
Beim Warentransport von Schanghai nach Moskau über Deutschland ist der Kostenanteil für die per Schiff zurückgelegten Distanzen recht gering, die Nutzung von Lkw und Bahn für das letzte Stück ist dagegen wesentlich teurer. Deshalb mache es weder den Exporteuren noch den Reedern viel aus, dass die großen und teuren Pötte erst vier Stunden die enge Elbe hochfahren müssen, um von der Nordsee in den Hamburger Hafen zu gelangen, sagt Sorgenfrei. Sorgen bereitet ihm da eher der beschränkte Tiefgang der Elbe. Sie müsse weiter ausgebaggert werden, damit immer größere Schiffe weiterhin die Hansestadt anlaufen können, verlangt er.
Platz für den wachsenden Containerumschlag sei allemal vorhanden: Die Kapazität ließe sich bis 2015 auf rund 15 Millionen TEU ausbauen. Ein Schritt dahin war auch das neue Terminal in Altenwerder, das im vergangenen Jahr in Betrieb ging. Die TUI-Tochter Hapag-Lloyd, die größte Container-Reederei in Deutschland, hat sich daran zu 25 Prozent beteiligt.
In Bremerhaven sind die Grenzen des Wachstums dagegen bald erreicht. Wenn die derzeit geplanten Ausbaustufen abgeschlossen sind, liegt die Kapazität bei sechs Millionen TEU – diese Zahl könnte schon 2012 erreicht sein. Deshalb hat sich das Land Bremen an der Projektgesellschaft für einen neuen Containerterminal an der Nordseeküste in Wilhelmshaven beteiligt.
Hamburg hat dies bislang abgelehnt. Wilhelmshaven fehle die „lokale Ladung“, also die Nachfrage in der Region. Die meisten Güter müssten von oder nach Hamburg transportiert werden, argumentiert Sorgenfrei. Und dazu fehle die notwendige Anbindung des Hinterlands per Schiene und Straße. In Wilhelmshaven würden mit hohen staatlichen Subventionen nur wenige Arbeitsplätze geschaffen, vermutet er.
Ob ein neues Terminal nun ausgerechnet in Wilhelmshaven entstehen sollte, lässt Burkhard Lemper offen. Fest steht für ihn aber: „Angesichts der Entwicklung des Containerverkehrs insgesamt und vor allem auch im Ostseeraum sowie mit Blick auf die EU-Osterweiterung ist eine Erweiterung der Kapazitäten an der deutschen Nordseeküste in den kommenden Jahren sicherlich sinnvoll.“ Die Konkurrenz mit den anderen Nordseehäfen wie Rotterdam und Antwerpen werde dies weiter anheizen.
Bild(er):
Blick auf den Hamburger Hafen. Vorn ein Dock von Blohm + Voss, im Hintergrund Teile des Containerhafens. Der Güterumschlag dort wächst rapide – Andreas Froese.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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