Die Branche will Zahnersatz komplett übernehmen und fürchtet Wettbewerbsverzerrungen
Von Ilse Schlingensiepen, Köln Die privaten Krankenversicherer (PKV) sind enttäuscht über die Verhandlungsergebnisse zur Gesundheitsreform. Der notwendige Einstieg in die Kapitaldeckung sei verpasst worden, außerdem habe der Politik offensichtlich der Mut für eine wirkliche Privatisierung des Zahnersatzes gefehlt, argumentiert die Branche.
„Das zentrale Problem ist bei den Gesprächen ausgeklammert geblieben, nämlich die Demografie“, sagte Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands. Um die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) resistenter zu machen gegen die Auswirkungen der Überalterung, hätten ganze Leistungsbereiche in die PKV verlagert werden müssen. Leienbach denkt insbesondere an das Krankengeld und private Unfälle.
Die für 2005 geplante Herausnahme des Zahnersatzes sei falsch angelegt. „Was jetzt vorliegt, ist eine Schein-Ausgliederung und mehr als halbherzig“, so Leienbach. Der Branche liegt im Magen, dass sowohl gesetzliche wie private Versicherer den Zusatzschutz verkaufen können. Im Juni hatten die Privatversicherer in Aussicht gestellt, Zahnersatz für 7,50 Euro im Monat für alle Versicherten anzubieten, falls der Bereich komplett in die PKV geht. „Wenn man Risiken wirklich privat absichern will, macht es keinen Sinn, sie in die Hände der GKV zu legen“, sagte Leienbach.
Die Kassen seien Anstalten öffentlichen Rechts, die nach anderen Vorgaben arbeiteten als Privatunternehmen. Sie hätten ein Steuerprivileg, profitierten vom Einzug der Beiträge über den Arbeitgeber und hätten Zugriff auf die Adressbestände der Sozialversicherung. Diese Vorteile müssten fallen, wenn die Kassen in Wettbewerb mit der PKV treten, fordert Leienbach. Zudem dürften nach gültiger Rechtslage nur Unternehmen private Versicherungen anbieten, die der Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen und die Rechtsform einer AG oder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit haben. Das heißt: Kassen wie AOK und Barmer benötigen für den Zusatzschutz bei Zahnersatz eigene Unternehmen. Bei ihnen müsse sichergestellt werden, dass es keine Quersubventionierung mit den GKV-Gesellschaften gibt. Ungeklärt sei die Eigenkapitalausstattung dieser Firmen.
Den großen Ansturm auf die Privatversicherung werde es nicht geben, erwartet Leienbach. Da die Politik den Kassen die Möglichkeit geben wolle, freiwillig Versicherten Tarife mit Beitragsrückerstattung und Selbstbehalten anzubieten, schaffe sie zusätzliche Anreize zum Verbleib in der GKV, kritisierte Leienbach.
Grundsätzlich offen steht die PKV allen Selbstständigen und Beamten – unabhängig von ihrem Einkommen. Angestellte können nur dann in die PKV, wenn sie mehr als 3825Euro pro Monat verdienen. Zurzeit sind gut fünf Millionen Angestellte freiwillig in der GKV, plus die Familienmitglieder.
Der „große Wurf“ lasse sich im Kompromiss zur Gesundheitsreform nicht erkennen, sagte ein Sprecher der PKV-Marktführers DKV. „Anstatt Druck aus dem System zu nehmen, ist man nur kleine Reformschrittchen gegangen, die das Nachhaltigkeitsproblem an keiner Stelle lösen.“ Die PKV werde genau über die Einhaltung der Spielregeln im Wettbewerb wachen, kündigte er an.
„Prämiendumping durch die gesetzlichen Kassen ist inakzeptabel“, betonte Ulrich Rumm, Vorstandsvorsitzender der Allianz Private Krankenversicherung AG. Der Gesetzgeber müsse schnell die Rahmenbedingungen klarstellen, unter denen GKV und PKV beim Zahnersatz arbeiten könnten. Der Politik habe der Mut für eine wirkliche Ausgliederung des Zahnersatzes gefehlt. „Aus unserer Sicht ist damit eine wertvolle Chance für eine konsequente Privatisierung mit echter Entscheidungsfreiheit für den Bürger vertan worden.“
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Quelle: Financial Times Deutschland
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