Die deutschen Schiffsfinanzierer rechnen für 2003 mit einem Rekord: Bis zu 2 Mrd. Euro an Eigenkapital für neue Schiffe werden private Investoren aufbringen, erwartet Stefan Loipfinger, unabhängiger Analyst für geschlossene Investmentfonds. Dabei halten längst nicht alle Projekte, was sie versprechen, so der ebenfalls unabhängige Schiffsfinanzierungskenner Jürgen Dobert: Nur jeder dritte Schiffsfonds, den er untersucht hat, erfüllt bei Ausschüttung und Tilgung die Prognosen des Emissionsprospekts.
Im bisherigen Rekordjahr 1996 kamen 1,6 Mrd. Euro Eigenkapital für Schiffsfonds zusammen, 2002 waren es knapp 1,5 Mrd. Euro. Loipfinger führt den Erfolg nicht nur auf mangelnde Alternativen an den Börsen zurück: „Diese Fonds sind von der Provision her für den Vertrieb sehr attraktiv und werden deshalb gepusht.“ Welches Unternehmen am Ende das meiste Kapital gesammelt hat, sei noch nicht abzusehen: „Wer als Erster keine Schiffe mehr hat, verliert.“
Angesichts der unerfüllten Versprechungen warnt Dobert trotz des Neubaubooms bei Schiffen und guter Ertragslage vor zu großer Euphorie: „Gewinnerwartungen, wie sie den Kapitalanlegern mit jährlich 8 bis 12 % Ausschüttungen durchgehend über Laufzeiten von 10 bis 16 Jahren in den aktuellen Prospekten versprochen werden, sind mit größter Skepsis zu betrachten.“ Die Ergebnisse seiner Studie zu 816 laufenden Schiffsfonds präsentierte er auf einer Konferenz der Fachzeitschrift „Hansa“ in Hamburg. Danach lag jedes vierte, über Fonds finanzierte Schiff bei Ausschüttungen und Tilgung unter Plan.
Deutschland ist weltweit führend bei Schiffsfinanzierungen. Private Investoren bringen über Fonds 30 bis 40 % des Kaufpreises als Eigenkapital auf, der Rest wird von Banken über Schiffshypotheken finanziert. Der auch international größte Anbieter auf diesem Gebiet ist die HSH Nordbank in Hamburg mit mehr als 16 Mrd. Euro an Schiffsdarlehen.
Die so von deutschen Anlegern und Banken finanzierten Schiffe werden an internationale Reedereien vermietet oder verchartert. Ein Großteil der Flotte fährt in Asien. China ist der Motor des derzeitigen Wachstums bei Seetransporten.
Während früher steuerliche Verlustzuweisungen die Modelle für Gutverdiener attraktiv machten, ist es heute die extrem niedrige Pauschalbesteuerung auf die Gewinne aus der Schifffahrt, die so genannte Tonnagesteuer.
Sowohl der Schiffsbeteiligungsemittent Dr. Peters aus Dortmund als auch die Fondsanbieter HCI und König & Cie aus Hamburg erwarten jeweils mehr als 200 Mio. Euro von ihren Anlegern für 2003. Im vergangenen Jahr war Dr. Peters mit über 190 Mio. Euro der größte Emittent von Schiffsbeteiligungen in Deutschland.
Auch für die Banken ist der Vertrieb von Fonds, die in Containerschiffe oder Tanker investieren, ein zunehmend interessantes Geschäft. Die Deutsche Bank übernahm im November exklusiv den Verkauf eines Fonds des Hamburger Emissionshauses Nordcapital – er war innerhalb von drei Wochen vollständig bei Kunden der Bank platziert.
Nach Ablauf ihres Fonds, typischerweise nach zwölf Jahren, werden allerdings einige Anleger enttäuscht sein, prophezeit Dobert. „Viele Emissionshäuser und Reeder nehmen den Mund zu voll, sie versprechen zu viel.“
Hermann Ebel vom Schiffsfinanzierer Hansa Treuhand weist die Vorwürfe zurück: Die neue Fondsgeneration ließe sich mit der alten einfach nicht vergleichen. Wer noch vor fünf Jahren wegen hoher steuerlicher Vorteile in Schiffe investierte, dem sei es egal, ob der Fonds nebenbei auch ein paar Prozent Ausschüttungen erwirtschaftet.
Die Tonnagesteuer gibt es seit 1999. Die Verlustzuweisungen wurden aber immer weiter eingeschränkt. Noch dürfen die Fondsemittenten den Anlegern aber bis zu drei Jahre lang Steuergutschriften bescheren und erst dann in das System der Tonnagesteuer wechseln. Dieses Schlupfloch könnte bald geschlossen werden. Hans-Heinrich Nöll vom Verband Deutscher Reeder erwartet, dass der Bundesrat am 12. Dezember im Rahmen des Abbaus von Steuervergünstigungen über das Thema debattiert.
Bild(er):
Das Containerschiff „CMA CGM Balzac“ wurde von Anlegern finanziert – Jalens/Joachim Affeldt
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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