Der große Zusammenschluss der deutschen Werften ist auch ein Lehrstück über misslungene Industriepolitik und verworrene Konzernstrategien
Die Fusion der drei großen Kriegsschiffbauer an Nord- und Ostsee kommt spät – möglicherweise zu spät. Schon vor sieben Jahren wollten die Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) die Marinewerften des ThyssenKrupp-Konzerns in Hamburg und Emden nach mehr als zehn Jahren Kooperation übernehmen. Der Vorstoß blieb aber erfolglos.
In der Zwischenzeit hat weder die europäische noch die amerikanische Konkurrenz geschlafen. Dazu kommt die angesichts leerer Kassen in vielen Staaten der Welt deutlich reduzierte Nachfrage nach maritimen Großprojekten. Jetzt wird es die frisch fusionierte Gruppe sehr viel schwerer haben, in einem mittelfristig angestrebten europäischen Verbund die erhoffte wichtige Rolle zu spielen, wenn es ihr überhaupt gelingt.
Die einst kraftstrotzende Großwerft HDW ist in dem rasanten Wechsel von Eigentümern in den letzten Jahren deutlich geschwächt worden – man könnte auch sagen, sie wurde ausgenommen. ThyssenKrupp hat seine Liebe zum Schiffbau sehr spät wieder entdeckt. Jahrelang wollte der Konzern die ungeliebten Werftentöchter am liebsten verkaufen. Das ist nicht das Klima, in dem ein Unternehmen vorwärtstreibende Investitionen tätigt und neue Märkte erschließt. Was sich da jetzt zusammenschließt, hat nicht mehr dieselbe Stärke wie noch vor wenigen Jahren.
Kein Ruhmesblatt der West LB
In den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Jahre hat sich kaum eine der beteiligten Parteien mit Ruhm bekleckert. Deshalb ist der Prozess auch ein abschreckendes Lehrstück. Eine besonders unangenehme Rolle spielte dabei die staatlich kontrollierte WestLB. Fast schon vergessen ist heute, wie die reiche Werftengruppe HDW von der damaligen Mutter Preussag – heute TUI – 1999 mehrheitlich an Babcock-Borsig abgegeben wurde. Strippenzieher des Deals war die WestLB unter ihrem Vorstandschef Friedel Neuber, damals Großaktionärin sowohl beim Mischkonzern Preussag als auch bei dem Not leidenden Anlagenbauer Babcock-Borsig. Der Zweck dieses Stücks Neuberscher Industriepolitik war ebenso durchsichtig wie schädlich für die Werft. Babcock-Borsig sollte mit den Millionen an Liquidität, über die eine Marinewerft allein wegen der hohen Anzahlungen verfügt, über Wasser gehalten werden.
Das Vorhaben misslang. Babcock-Borsig ging 2002 unter, Unternehmenschef Klaus Lederer verkaufte kurz vor dem Untergang noch die Werft HDW an die US-Finanzgruppe One Equity Partners (OEP), deren Manager er sehr gut kannte. Vollends zur Farce wurde die Episode, als Lederer nach der Insolvenz Babcock-Borsigs auf dem Chefsessel bei der Kieler Werft sitzen bleiben wollte und erst auf massiven Druck von Kunden und Belegschaft ging.
Auch die Bundes- und verschiedene Landesregierungen haben nicht gerade glücklich agiert. Aus ihrem Ziel, schlagkräftige nationale Rüstungskonzerne zu fördern, die dann auf europäischer Ebene zum Kern größerer Verbünde werden sollten, haben die Politiker kein Hehl gemacht. Auch das Verteidigungsministerium, der größte Auftraggeber der Marinewerften, hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, dass die Werften möglichst schnell zusammengehen und sich dann europaweit Partner suchen sollten. Vorbild ist der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der auf dem Weltmarkt gegen die US-Konkurrenz mithalten kann.
Aber gleichzeitig wurde durch Politiker so viel Porzellan zerschlagen, dass die geplanten Fusionsschritte immer wieder torpediert wurden. Mit Grausen erinnern sich Manager an das Jahr 1997, als Alfred Tacke, damals Staatssekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, den Standort Hamburg für praktisch überflüssig erklärte. „Die Stärken des neuen Konzerns liegen in Emden und Kiel“, sagte Tacke damals. Das Resultat war vorhersehbar: In einer großen Koalition lehnten Belegschaft und Management der Hamburger Werft Blohm + Voss zusammen mit dem Senat die von HDW angestrebte Fusion ab und konnten sie verhindern. Fünf Jahre später verschliefen die Politiker schlicht den von Lederer eingefädelten Verkauf der Werft an OEP.
Trickreiche Konstruktion
Zu den wenigen Gewinnern gehört One Equity Partners. Das Finanzhaus sorgte durch eine einfallsreiche Konstruktion des HDW-Konzerns dafür, dass die Schiffbauer einen großen Teil des Kaufpreises für ihre eigene Übernahme durch OEP selbst bezahlen durften. In einem zweiten Schritt half OEP dann der Werft großzügig mit einem Darlehen aus dem Engpass.
Das Management der beteiligten Werften hat sich in den letzten Jahren von dem Fusionstrubel nicht anstecken lassen und die Kooperation ausgebaut. Die neue einheitliche Führung durch ThyssenKrupp könnte die nötige Ruhe dafür schaffen, dass die geforderten Synergien tatsächlich gehoben werden können. Erst dann ist der Weg zu einem Europaverbund frei.
Sollte allerdings die geplante europäische Werftenfusion mit ähnlichem Geschick eingefädelt werden wie die deutsche, müssen sich internationale Konkurrenten keine großen Sorgen machen.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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