Das Klima wird rauer für Reeder, Werften und Häfen. Der Welthandel wächstdeutlich langsamer, Rezessionsängste nehmen zu. Die deutschen maritimenIndustrien stehen vergleichsweise gut da. Die Rahmenbedingungen stimmen
VON Katrin Berkenkopf
und Herbert Fromme
Das traditionelle, selbst arrangierte Weihnachtsgeschenk fällt aus. Eigentlich wollten die zwischen Asien und Europa aktiven Reedereien im August einen „Saisonzuschlag“ von 158 $ pro Container auf ihre Tarife für die Beförderung der Stahlkisten verlangen. Dieser Zuschlag ist für das Weihnachtsgeschäft seit Jahren üblich. Wenn von August an Elektronikartikel, Textilien oder Spielzeuge in großen Mengen aus den asiatischen Fertigungsländern nach Europa gebracht werden, steigt die Nachfrage nach Schiffsraum rasch an.
Doch 2008 wagten die Reedereien es bislang nicht, den Zuschlag einzuführen. Die Frachtvolumen sind zurzeit niedrig – unter anderem, weil chinesische Fabriken wegen der Olympiade weniger produzierten. Jetzt hoffen einige Reeder, mit der Rückkehr zur Normalität in China die Preise doch noch erhöhen zu können. Die zögernde Haltung der Großreedereien zeigt die momentanen Unsicherheiten im globalen Seeverkehr. Die geringeren Wachstumsraten im Welthandel verbunden mit der Furcht vor einer Rezession in den USA und Europa zeigen Wirkung. Gleichzeitig leiden sie unter stark gestiegenen Kosten für Treibstoffe und Besatzungen.
Deutsche Linienreeder wie Hapag-Lloyd und Hamburg Süd sind direkt betroffen, der Trend könnte sogar den geplanten Verkauf von Hapag-Lloyd durch den Eigner TUI gefährden. Mit Verzögerung, aber möglicherweise noch drastischer, kann die Schwächephase andere Reeder treffen, die nicht selbst Transporte organisieren, sondern Schiffe verchartern, also vermieten. Diese Eigner betreiben mit dem Geld deutscher Schiffsfondsanleger weltweit die größte Containerflotte – mit einem globalen Marktanteil von 36 Prozent. Der Druck auf die Charterraten, heute schon in bestimmten Schiffskategorien spürbar, wirkt sich bei ihnen erst in einigen Monaten voll aus.
Auch die Häfen spüren die geringeren Wachstumsraten, vor allem Hamburg mit seinen Asienverkehren. Die Werften dagegen sind in den kommenden Jahren ausgebucht. Kommt es nur zu einem kurzen Einbruch und nicht zu einer langen Krise auf den Weltschifffahrtsmärkten, werden sie das Problem kaum spüren.
Die Branche gibt sich optimistisch. „Das traditionelle Sommerloch vor der Verschiffung der Waren für die Weihnachtszeit fällt dieses Jahr um einiges stärker aus“, räumt Tobias König ein, Vorstandschef der Marenave Schifffahrts AG. „Aber es gibt Zyklen und deshalb wird es nach der Marktabschwächung wieder neue Höhepunkte geben.“ Mit zunehmender Nachfrage in Asien nach Qualitätsprodukten aus der EU und den USA gebe es hohes Potenzial für die Zukunft, so König. „Bisher fahren die Container häufig leer nach China oder Indien zurück.“
Auch Hans-Heinrich Nöll, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, ist optimistisch. „Mittel- und langfristig hat die Schifffahrt weiter eine gute Marktperspektive“, sagt er. Berichte über rückläufige Raten für Containerschiffe oder überhitzte Märkte für Massengutfrachter lassen ihn unbeeindruckt. Selbst zusätzliche Kosten durch steigende Umweltauflagen könnten daran nichts ändern. „Das Schiff bleibt unschlagbar bei den Emissionen.“ Unsicherheiten gebe es nur kurzfristig.
Nölls Zuversicht ist begründet. In den vergangenen sechs Jahren haben die Reedereien klotzig verdient und konnten einiges auf die hohe Kante legen. Und: Die Rahmenbedingungen stimmen. Der Fiskus ist freundlich zu den deutschen Reedern. Dafür sorgt die Tonnagesteuer. Der Gewinn, der mit einem Handelsschiff erzielt wird, wird pauschal nach Schiffsgröße versteuert – zu sehr niedrigen Sätzen. Diese Form der Erleichterung sei nötig, um konkurrenzfähig zu bleiben, argumentiert Peter Fischer, Experte im Maritimen Kompetenzzentrum der Wirtschaftsprüfer und Berater von PricewaterhouseCoopers (PwC). „Einkünfte aus der Schifffahrt sind in vielen Ländern steuerfrei“, sagt Fischer. „Das ist ein mobiles Business, deshalb gibt es da einen Steuerwettbewerb. Wer sich aus der Tonnagesteuer verabschieden würde, löste damit eine Bewegung in andere Länder aus.“
Die Tonnagesteuer gerät aber immer wieder in die Kritik. So fordert die Gewerkschaft Verdi, dass nur solche Schiffe von der Tonnagesteuer profitieren dürfen, die auch die deutsche Flagge am Heck führen. So weit ist die Bundesregierung bislang nicht gegangen. Sie hat den Reedern aber Ende 2006 die Zusage abgenommen, bis Ende des Jahrs 100 Schiffe zusätzlich unter die deutsche Flagge zu bringen – im Gegenzug für die Erhaltung der Tonnagesteuer.
Die Umsetzung gestaltete sich schwierig. Immer wieder wiesen die Reeder darauf hin, dass es an genügend deutschen oder deutschsprachigen Kapitänen für diese Schiffe fehle. Außerdem schreckten die Reeder die bürokratischen Anforderungen und zum Teil höhere Kosten. Doch jetzt ist die Kampagne ins Rollen gekommen. „Wir haben konkrete Zusagen für über 100 Schiffe“, sagt Verbandschef Nöll.
In den kommenden Wochen werden Schifffahrt und Schiffbau vermehrt im öffentlichen Interesse stehen. Dafür sorgt die globale Messe SMM, die am 23. September in Hamburg eröffnet wird. Die Reeder werden die Öffentlichkeit dafür nutzen, ihre Kampagne für Erleichterungen des Schiffsbetriebs unter deutscher Flagge zu verstärken. Der Verband hat sich die Reform der Schifffahrtsverwaltung als großes Projekt auf die Fahnen geschrieben. „Die Zersplitterung der Zuständigkeiten muss beendet werden“, fordert der Reeder-Cheflobbyist.
Für alle administrativen Angelegenheiten solle es möglichst nur eine Anlaufstelle geben. „Wenn wir unsere Zusagen einhalten, haben wir auch einen guten Grund, uns das zu wünschen, um künftige Verpflichtungen leichter erfüllen zu können“, sagt Nöll. Möglichst gemeinsam mit Verdi wollen die Reeder das Projekt angehen. Die Umsetzung wird aber wohl Jahre dauern.
Quelle: Financial Times Deutschland
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