Projektentwickler möbeln in die Jahre gekommene Immobilien auf und machen siewieder attraktiv. Allerdings darf man solche Objekte in Problemvierteln nichtallzu aggressiv vermarkten
Am Leipziger Hauptbahnhof herrscht Gedränge. Nicht auf den Bahnsteigen, da ist es am Samstagvormittag eher ruhig. Die Menschenmassen schieben sich eine Etage tiefer durch die Gänge der Hauptbahnhof-Promenaden. In dem riesigen Einkaufszentrum bekommt der Kunde alles – von Manschettenknöpfen bis zu Bananen. Einst war der Bahnhof ein heruntergekommenes, eingeschossiges Gebäude. Die Entwickler des Projektmanagement-Unternehmens ECE haben daraus eine zweistöckige Einkaufspassage mit viel Glas, Licht und 140 Geschäften unterhalb des Querbahnsteigs gemacht. Das Konzept ist erfolgreich. Bis zu 150 000 Menschen sind täglich in den Promenaden unterwegs.
Revitalisierung heißt das Zauberwort, mit dem Projektentwickler alte und vernachlässigte Gebäude oder Gebäudekomplexe in guter Lage umgestalten, ihnen ein neues Image geben und es für potenzielle Kunden attraktiv machen. So entstehen in Industrieruinen teure Wohnlofts für Kreative, aus verfallenen Vorkriegsbauten werden schicke Büros für Anwaltskanzleien. Damit sich für die aufgemöbelte Immobilie Interessenten finden, arbeiten Werbefachleute daran, sie als Marke zu positionieren und ihr ein besonderes Ansehen in der Öffentlichkeit zu verschaffen.
„Kunden wollen kein anonymes Massenobjekt von der Stange kaufen, sondern eine ganz spezielle Immobilie, zu der sie möglichst rasch eine persönliche Beziehung aufbauen können“, sagt Stephan Kippes, Professor am Lehrstuhl für Immobilienmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Namen sind dabei mehr als Schall und Rauch: „Sie verleihen dem Gebäude eine Identität und rufen beim Kunden positive Assoziationen hervor.“
Die Projektentwickler können sich bei der Namensgebung an der Geschichte des Standorts orientieren. Ein Berliner Bürokomplex auf dem Gelände des ehemaligen Grenzübergangs wurde zum Checkpoint Charlie Business Center. Auch von der Architektur lassen die Profis sich inspirieren. Die Doppeltürme Romeo und Julia im Frankfurter Westend sollen bei Mietern positive Gedanken an das berühmte Liebespaar wecken. Doch der schönste Name nützt nichts, wenn Missstände bleiben. Bei den Sanierungsarbeiten und der Umgestaltung des Areals arbeiten die Marketingspezialisten mit Architekten, Bauleuten und den örtlichen Behörden zusammen.
„Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden zu berücksichtigen“, sagt Georg Glatzel, Vorstandsvorsitzender der IFM Immobilien. Das Frankfurter Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, bereits bestehende Gebäude aufzukaufen und in Nobelimmobilien zu verwandeln. Will ein künftiger Mieter Büros einrichten, sollte die Raumaufteilung möglichst viel Platz für Schreibtische zulassen und Flure sollten wenig Raum einnehmen. „Für den Einzelhandel spielen ganz andere Kriterien eine Rolle – etwa die Wahrnehmung von außen, der Zuschnitt der Flächen und dass Waren optimal präsentiert werden können“, erläutert Glatzel.
Riesige Werbetafeln, aufwendige Internetauftritte – um ihr Bauvorhaben bekannt zu machen, bedienen sich Projektentwickler vielerlei Marketinginstrumente. Manchmal greifen sie auch zu kuriosen Mitteln. Die Sprengung des alten Agfa-Hochhauses in München zugunsten eines neuen grünen Viertels, dem Agfa-Park, lockte Tausende Münchner vor die Fernseher. Und Immobilienmarketing-Professor Kippes erinnert sich an Vorträge über das Stadtplanungsprojekt in den Londoner Docklands für Taxifahrer. Sie sollten interessierte Investoren auf der Fahrt in die verarmte und verfallene Hafengegend nicht mehr mit abfälligen Bemerkungen über das Viertel verschrecken. Werbung ist wichtig – gerade in der Wirtschaftskrise. „Der Entscheidungsprozess potenzieller Kunden dauert heute wesentlich länger als vor der Krise“, sagt IFM-Mann Glatzel.
Immobilienmarketing kann auch schiefgehen, wenn Projektentwickler sich nicht mit den örtlichen Besonderheiten des Standorts auseinandersetzen. In Berlin-Kreuzberg beschädigen Gegner der sogenannten Yuppisierung des Stadtteils Luxusimmobilien und die teuren Autos der neuen Mieter. Daran seien auch die offensiven Werbebotschaften der Projektentwickler an Besserverdienende in einem ursprünglich armen Viertel schuld, sagt Robert Ummen, Inhaber einer Immobilien-PR-Agentur: „Mancher muss da im Marketing noch viel lernen.“
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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