Anbieter müssen auf Druck der BaFin Rückstellungen aufstocken //Milliardenbelastung für Bilanzen
Herbert Fromme , Köln
Die Finanzaufsicht BaFin fürchtet, dass deutsche Lebensversicherer Zinsgarantien an ihre Kunden nicht einhalten können. Nach FTD-Informationen hat die Behörde die Anbieter aufgefordert, die Rückstellungen für einen Teil ihrer Verträge schon 2011 deutlich zu erhöhen.
Mit ihrer Forderung reagieren BaFin und Finanzministerium auf die niedrigen Zinsen, die Versicherer derzeit für ihre wichtigsten Kapitalanlagen in Anleihen erhalten. Die Erträge daraus könnten nach Ansicht der Behörde nicht ausreichen, um die garantierten Ansprüche der Kunden zu befriedigen. Die Aufseher treibt die Angst vor einem Szenario wie in Japan um: Dort brachen wegen der niedrigen Zinsen der 90er-Jahre sechs große Lebensversicherer und einige kleinere Gesellschaften zusammen, weil sie gegebene Garantien nicht mehr erfüllen konnten.
Von der BaFin-Vorgabe betroffen sind Rückstellungen für zwischen 1995 und 2000 angebotene klassische Lebensversicherungen. Sie werden über die gesamte Laufzeit mit garantierten vier Prozent auf den Sparanteil der Prämie verzinst.
Genaue Berechnungen über die Höhe der Belastung gibt es noch nicht. Sie wird über mehrere Jahre gestreckt, dürfte aber in jedem Jahr die Milliardengrenze überschreiten. Die Versicherer müssten die Rückstellungen aus ihren Gewinnen erhöhen. Allein beim Marktführer Allianz Lebensversicherung entfielen Ende vergangenen Jahres 29 Prozent der zurückgestellten 129 Mrd. Euro, die den Kunden zustehen, auf Verträge mit einem Zins von vier Prozent.
Die deutschen Lebensversicherer insgesamt hatten Ende 2009 gegenüber ihren Kunden Verpflichtungen von 741 Mrd. Euro, die durch Kapitalanlagen von 700 Mrd. Euro gedeckt werden. Die Anlagen sind geringer als die Verpflichtungen, weil die Anbieter erst im Laufe der Zeit ihren Kunden Einmalzahlungen oder Renten zukommen lassen müssen. Sie können deshalb die bis dahin zu erwartenden Kapitalerträge einkalkulieren. Weil diese Erträge aufgrund der Niedrigzinsen aber derzeit sinken, müssen die Versicherer nun die Rückstellungen aufstocken.
Die Branche reagierte gelassen auf die Forderungen der BaFin. Sie beträfen nur einen Teil der 91,5 Millionen Lebensversicherungsverträge und seien zeitlich gestreckt. Deshalb könnten die Gesellschaften die notwendigen Mittel aus Überschüssen aufbringen, sagte ein Vorstand eines mittelgroßen Lebensversicherers. „Viel schwieriger würde es, wenn die Zinsen noch mehrere Jahre niedrig bleiben und wir dann für den gesamten Bestand nachreservieren müssten.“ Auswirkungen für die Kunden hat die Neuregelung nicht.
Durch die wahrscheinlich hohe Gewinnbelastung wird die Lebensversicherung für die Anbieter indes immer unattraktiver. Es ist zu erwarten, dass sich einige Gesellschaften aus dem Geschäft mit solchen Policen zurückziehen. Verschärft wird die Krise der Lebensversicherungen durch einen Plan des Bundesfinanzministeriums: Wie vergangene Woche bekannt wurde, soll nach dessen Vorstellungen die Obergrenze für den Garantiezins von heute 2,25 Prozent Mitte 2011 auf 1,75 Prozent sinken. Die Assekuranz lehnt dies entschieden ab, weil es den ohnehin lahmenden Vertrieb für klassische Lebensversicherungen weiter beeinträchtigen würde. Sie schlägt einen Höchstsatz von zwei Prozent vor.
Der durchschnittliche Garantiezins für Lebensversicherungskunden liegt derzeit bei 3,4 Prozent. Die meisten Gesellschaften gewähren zusätzlich eine variable Überschussbeteiligung. Im Schnitt schrieben sie ihren Kunden für 2010 deshalb 4,2 Prozent auf den Sparanteil gut, 2011 werden es 4,1 Prozent sein. Der so verzinste Sparanteil beträgt durchschnittlich etwa 80 Prozent der eingezahlten Prämien, der Rest entfällt auf Risikoschutz sowie Vertriebs- und Verwaltungskosten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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