Die von der Assekuranz angemahnte Änderung der Regeln für die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven ist aus Sicht des Experten Hermann Weinmann nicht nötig. Der Professor an der Hochschule Ludwigshafen analysiert zum dritten Mal, was die Lebensversicherer mit dem Geld ihrer Kunden machen.
Bislang kommen die zwölf größten deutschen Lebensversicherer mit der gesetzlich vorgeschriebenen Auszahlung der Hälfte der Bewertungsreserven an ausscheidende Kunden zurecht. Das ergibt sich aus der Untersuchung der Geschäftsberichte dieser Gesellschaften durch den Betriebswirt Hermann Weinmann. Weinmann beschäftigt sich an seinem Lehrstuhl in Ludwigshafen mit Versicherungsbetriebslehre und Altersvorsorge und ist nach eigenem Bekunden ein Freund, kein Gegner, des Instruments Lebensversicherung zur Altersvorsorge.
Die Versicherungsbranche versucht seit zwei Jahren, bei der Politik eine Änderung des Paragraphen 153 des Versicherungsvertragsgesetzes durchzusetzen, der die Beteiligung an den Bewertungsreserven regelt. 2012 scheiterte der Versuch im Bundesrat. Das Argument der Versicherer: Bei Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere handele es sich um Scheingewinne, die mit Ablauf der Papiere verschwinden. „Hierdurch bleibt eine Regelung in Kraft, die Versicherer dazu zwingt, mitten in der Niedrigzinsphase langlaufende, hochverzinste Anlagen zu verkaufen, um einem kleinen Teil der Kunden Sonderausschüttungen zu finanzieren“, schreibt der GDV in seiner Zeitschrift „Positionen“.
Laut Weinmann hat keiner der Versicherer in seinem Geschäftsbericht über Kapitalanlagen-Umschichtungen im Zusammenhang mit Verpflichtungen aus Bewertungsreserven berichtet.
Die Studie ergibt, dass die 12 größten Lebensversicherer 2012 eine Nettoverzinsung zwischen 3,8 Prozent (Cosmos) und 5,0 Prozent (Allianz) erzielten. Dabei stammen bei der Allianz 0,8 Prozentpunkte aus Veräußerungsgewinnen. Weinmann nennt verschiedene Motive für Versicherer, Bewertungsreserven zu heben – eines könnte der behördlich geforderte Aufbau der Zinszusatzreserve sein, ein anderes die Auszahlung von Bewertungsreserveanteilen an Kunden.
„Schließlich kann aber auch die Nutzung von Kapitalmarktchancen für die höhere Nettoverzinsung mitverantwortlich sein“, argumentiert er. „Mit ziemlich großer Sicherheit ist es so, dass die Allianz Leben nicht Opfer der Bewertungsreserven-Regelung war, sondern die Erfolgsformel erfolgreicher Anlagepolitik praktizierte: Anlagen mit Kursgewinnen zu realisieren, um in zukünftig aussichtsreichere Anlagefazilitäten zu investieren.“
Die Allianz hat die höchste Nettoverzinsung, gibt aber prozentual davon am wenigsten an die Kunden weiter: Das Unternehmen beziehungsweise die Anteilseigner erhielten 2012 20,8 Prozent, die Kunden 79,2 Prozent des Rohertrags. Bei der Generali Leben waren es dagegen 1,5 Prozent für die Eigner und 98,5 Prozent für die Kunden. Doch Weinmann warnt vor einer falschen Interpretation: Eine hohe Beteiligung an wenig Gewinn könne schlechter sein als eine niedrige Beteiligung an viel Gewinn.
Heftige Kritik übt Weinmann an den zu hohen Abschlusskosten. Sie lägen im Branchenschnitt deutlich über den einkalkulierten Werten, die meistens vier Prozent aller einzuzahlenden Beiträge ausmachen. Wenn die realen Kosten höher sind, entstehen Abschlusskostenverluste. „Viele Gesellschaften verlieren zu viel Geld ihrer Versicherungsnehmer im Abschlusskostenbereich“, moniert Weinmann. „Statt des Vorsichtsprinzips gilt das Gegenteil, das heißt das großzügige Geldausgeben zu Lasten anderer.“
Die untersuchten Gesellschaften zeigten für 2012 Abschlusskosten zwischen 1,9 Prozent der Beitragssumme bei der Cosmos und 6,9 Prozent bei HDI Leben. Zweitbester bei den Abschlusskosten war die Debeka mit 3,4 Prozent, Marktführer Allianz kommt auf 4,2 Prozent. Die Cosmos – die zum ersten Mal in der Untersuchung dabei ist und den Platz der Axa eingenommen hat – konnte 2012 mit so niedrigen Werten punkten, weil sie viel Einmalgeschäft verbuchte. In anderen Jahren lag sie über 3 Prozent.
Weinmann sieht die Branche insgesamt in einem stabilen Zustand. Einige Anbieter seien jedoch gefangen in der Zinsfalle mit historisch niedrigen Zinsen, stellt er mit Blick gerade auf Ergo Leben und HDI Leben fest. „Die jeweiligen Konzernmütter verdienen mit ihrer Tochter im Lebensversicherungsgeschäft kaum noch Geld.“ Auch die Kunden hätten Besseres verdient.
Andere Gesellschaften lieferten Kunden respektable Ergebnisse, „auch die Anteilseigner darben nicht“. Diese Anbieter seien empfehlenswert, sagt Weinmann. Er gibt Allianz, R+V, Bayern-Versicherung, Debeka und Cosmos die besten „Verbrauchernoten“ für die Jahre 2009 bis 2012.
Herbert Fromme
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