Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln In Kolumbien werden jeden Tag neun Menschen entführt, manchmal auch deutsche Geschäftsleute. In Deutschland steht das Kidnapping von Managern zwar nicht auf der Tagesordnung. Nach den polizeilichen Statistiken werden aber jedes Jahr zwischen 100 und 120 Unternehmen erpresst, etwa mit der Drohung, Lebensmittel zu vergiften.
Seit 1998 können deutsche Versicherer das Risiko der Lösegeldzahlung bei Entführung oder Erpressung abdecken – mit strengen Auflagen. „Innerhalb eines Unternehmens dürfen nur drei Mitarbeiter vom Abschluss einer Lösegeldversicherung für Personen wissen“, sagt Peter Geppert von der Gerling Allgemeine Versicherung in Köln.
Versicherer dürfen für die Policen nicht werben, viele haben sie nicht im Programm. Manche, wie die Allianz, bieten die Produkte für Privat-und Industriekunden an. „Es gibt aber nur ein punktuelles Interesse“, sagt eine Sprecherin. Versicherer wie Gothaer oder Axa vertreiben die Policen nur an Bestandskunden aus der Wirtschaft. Beide haben nur wenig verkauft. Über Vertragsbestandteile und Preise schweigen sie.
Erfolgreicher läuft das Geschäft für spezialisierte Versicherer wie die American International Group und Gerling. Der Kölner Versicherer hat eine „Crime Line“ mit sechs Produkten aufgelegt. „Das reicht von Entführung bis zur Bedrohung durch Computerviren“, sagt Geppert. Angaben zu Kosten und Absatz will er nicht machen.
Für solche Policen müssen Versicherer ein Krisenmanagement bereitstellen – das macht sie teuer. Spezielle Berater entwickeln Konzepte für den Schutz potenzieller Opfer und Maßnahmepläne für den Ernstfall.
Bei Gerling übernehmen das eigene Leute oder Spezialisten eines eigens zusammengestellten internationalen Pools. Andere Versicherer greifen auf spezielle Dienstleister zurück. „Es kommt bei den Kunden nicht gut an, wenn die Versicherer eigene Berater schicken“, glaubt Jörg Trauboth von der Unternehmensberatung Trauboth Risk Management (TRM) in Sankt Augustin. Er ist für sieben nationale und internationale Versicherer tätig, weitere Kunden kommen aus der Lebensmittel-, Chemie-und Pharmaindustrie.
Bevor sich der 58-Jährige mit TRM selbstständig gemacht hat, war er Geschäftsführer von Control Risk Deutschland, einem der größten Krisenberater weltweit. Control Risk kooperiert etwa mit dem britischen Spezialversicherer Hiscox, der seit langem Lösegeldpolicen anbietet.
Trauboth hat sieben Mitarbeiter und kooperiert mit Partnern in Großbritannien, Osteuropa und Südamerika. „Zwei Drittel unseres Geschäftsvolumens entfallen auf die Prävention und die Entwicklung von Krisenplänen“, sagt er. Ein mittelgroßes Unternehmen muss zwischen 10 000 Euro und 30 000 Euro für ein Krisenkonzept zahlen.
Trauboth zeigt in Brasilien Managern, wie sie sich bei einem Kidnapping verhalten sollten, oder simuliert mit Unternehmen eine Produkterpressung. Im Ernstfall ist er vor Ort. Er sorgt beispielsweise dafür, dass Produkte rasch aus dem Handel geholt werden, wenn von ihnen eine Gefahr ausgehen könnte. Ist ein Unternehmen dazu nicht in der Lage, können die Behörden die Sache in die Hand nehmen – ein Image-GAU.
Bei Entführungen deutscher Geschäftsleute etwa in Südamerika nimmt Trauboth auch die Verhandlungen mit Behörden und Kidnappern in die Hand. Generell seien die Erfolgsaussichten gut, wenn professionelle Krisenmanager eingeschaltet werden, ist seine Erfahrung: „Über 90 Prozent der Geiseln kommen lebend frei.“
Zitat:
„Nur drei Mitarbeiter dürfen vom Abschluss einer Lösegeldversicherung wissen“ – Peter Geppert, Gerling
Quelle: Financial Times Deutschland
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