So wird 2003

Manche lesen die Zukunft in Tarot-Karten. Die Redakteure der FTD vertrauen lieber auf ihr Fachwissen, wenn sie eine Wette eingehen auf das, was kommt. Hier ihre ganz persönlichen Prognosen für das nächste Jahr

Politik

Wer gewinnt die Wahlen in Hessen und Niedersachsen?

Wiesbaden bleibt in der Hand von Roland Koch. Da es für ihn zu riskant ist, die absolute Mehrheit anzupeilen, wird er den Koalitionspartner FDP mit einer Leihstimmenkampagne über die Fünf-Prozent-Hürde hieven. In Hannover regiert weiter der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel, der die absolute Mehrheit der SPD allerdings nicht verteidigen kann. So kommt es zu einer Neuauflage von Rot-Grün. Claus Hulverscheidt

Tritt Finanzminister Hans Eichel im nächsten Jahr zurück?

Nein. Eichel ist Sozialdemokrat alter Schule, der sich selbst verleugnet, bevor er die Partei im Stich lässt. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Regierung erneut ein blauer Brief aus Brüssel droht, wird Eichel an seinem Ziel festhalten, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – notfalls mit höheren Steuern. Erst wenn ihm der Kanzler die Unterstützung entzieht, wird er zurücktreten. Claus Hulverscheidt

Welche Steuern wird die Bundesregierung erhöhen?

Auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird sich Bundeskanzler Schröder kaum einlassen: Sie würde die letzten Sympathien kosten und wäre auch für die Binnennachfrage schädlich. Stattdessen wird der von der Koalition geplante Abbau von Steuervergünstigungen zumindest in Teilen verabschiedet. Die Union wird im Bundesrat einigen Elementen zustimmen, zum Beispiel der Mindestbesteuerung von Kapitalgesellschaften. Außerdem kommt im neuen Jahr die Abgeltungsteuer auf Zinsen, was aber keine Steuererhöhung ist. Die Vermögensteuer ist dagegen tot. Jens Tartler

Kommt es zu einer großen Koalition aus SPD und CDU?

Nein. Bundeskanzler Schröder hat sich wieder gefangen, als er mit der Abgeltungsteuer die verheerende Debatte um die Vermögensteuer beendete. Mit dem Kompromiss zur Hartz-Reform hat er den Absturz der SPD in den Umfragewerten gestoppt. Zudem läge eine große Koalition nicht im Interesse der Union, die bei anhaltendem Chaos in der Regierungskoalition auf Neuwahlen setzen würde. Margaret Heckel

Wird es einen Krieg gegen Irak geben?

Die Entscheidung ist in Washington noch nicht gefallen. Die Rückkehr der Uno-Inspektoren nach Irak hat den Waffengang verzögert. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Krieg gibt, ist aber immer noch sehr hoch. Washington erwartet von Bagdad einen glaubwürdigen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen. Die Signale aus Irak deuten jedoch auf weiteres Taktieren hin. Ändert Bagdad sein Verhalten nicht, wird es 2003 Krieg geben. Hubert Wetzel

Wird Osama Bin Laden geschnappt?

Nein. Schon zu Beginn des Afghanistan-Kriegs war die Jagd nach dem Terroristenführer eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Damals wusste man immerhin, dass er sich in Afghanistan aufhält. Heute kann der Saudi überall auf der Welt abgetaucht sein – sofern er noch lebt. Das Terrornetzwerk al-Kaida jedenfalls arbeitet auch ohne seine direkte Führung weiter. Die Suche nach ihm hat deshalb für die USA an Bedeutung verloren. Britta Petersen

Entscheidet sich Großbritannien für den Euro?

Einiges spricht gegen einen Beitritt Großbritanniens zur Währungsunion. Die Wirtschaft läuft im Vergleich zu Nachbarn wie Deutschland gut: Zinsen könnten eher wieder steigen, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, das Pfund stark. Sollte es zu Krieg in Irak kommen, wird sich die Regierung nicht noch ein unpopuläres Thema anhängen. Zuletzt dümpelte die Zustimmung der Briten zum Euro bei etwa 35 Prozent. Cordula Tutt

Bekommt die EU einen Präsidenten?

Nein. Schon deshalb, weil die neue EU-Verfassung frühestens 2006 in Kraft treten wird. Doch 2003 könnte der Beschluss fallen, den jetzt halbjährlich wechselnden Vorsitz des Europäischen Rates abzuschaffen und durch einen länger amtierenden Präsidenten zu ersetzen. Wahrscheinlicher ist aber ein komplizierter Kompromiss: Ein amtierender Ratsvorsitzender, der flankiert wird von einer Teampräsidentschaft, in der Minister unterschiedlicher Länder den verschiedenen Fachministerräten vorsitzen. Thomas Klau

Steigt die Arbeitslosenrate in Deutschland über fünf Millionen?

Nein. Zwar wird das Wirtschaftswachstum so gering ausfallen, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt. Jedoch dürfte die Zahl der Beschäftigungslosen im Jahresdurchschnitt nicht über 4,4 Millionen steigen. Da die Arbeitslosigkeit im Winter aber aus rein saisonalen Gründen um 400 000 Jobsuchende höher ausfallen kann als im Schnitt, könnte die Zahl der Joblosen zum Jahreswechsel 2004 der Fünf-Millionen-Marke nahe kommen.Mark Schieritz

Rutscht Deutschland in

die Deflation?

Noch nicht. Die Inflation dürfte Anfang des Jahres deutlich über null Prozent liegen, weil einige indirekte Steuern steigen und die relativ kräftigen Tarifabschlüsse aus 2002 nachwirken. Doch die Gefahr einer Deflation ist nicht zu unterschätzen. Wegen der schwachen Nachfrage könnte es zu einem Teufelskreis aus fallenden Gewinnen, sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaftsleistung kommen. Sebastian Dullien

Wann kommt der Aufschwung?

Sobald die Irak-Krise ausgestanden ist: Dann wird der Ölpreis fallen und jene Unsicherheit weichen, die seit Monaten auf Investitionsprojekten lastet. Doch der Schwung wird nicht lange halten: Die Folgen sinkender Aktienkurse sowie steigende US-Defizite im Außenhandel und im Staatshaushalt sorgen für die nächsten Turbulenzen – mit Glück erst 2004. Thomas Fricke

Unternehmen

Schafft die Telekom die Wende?

Stück für Stück trägt der neue Chef, Kai-Uwe Ricke, den 64 Mrd. Euro hohen Schuldenberg ab. Er soll bis Ende 2003 auf rund 50 Mrd. Euro schrumpfen – über Verkäufe und höhere Barmittelüberschüsse der Telekom-Töchter. Harte Einschnitte sind nötig, um diese profitabler zu machen. Rund 900 Mio. Euro haben Verkäufe schon eingebracht. Probleme bereitet der sinkende Erlös aus dem geplanten TV-Kabelverkauf. Kristina Spiller

Geben weitere UMTS-Anbieter ihre Lizenzen zurück?

Im Kampf um gute Plätze beim Start der Mobilfunktechnik wird ein weiteres Unternehmen aufgeben. Mit Quam und Mobilcom haben zwei der sechs Besitzer von UMTS-Lizenzen das Handtuch geworfen. „Es werden nur drei UMTS-Anbieter übrig bleiben“, glaubt Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke. Dessen Tochter T-Mobile sowie Konkurrent Vodafone sind in sicherer Stellung. Über eine Fusion von E-Plus und O2 wird spekuliert.Kristina Spiller

Welcher Handy-Hersteller kann sich gegen Nokia behaupten?

Nichts deutet darauf hin, dass Nokias Position als Weltmeister unter den Handy-Herstellern in Gefahr geraten könnte. Bei der Kombination aus Digitalkamera und Mobiltelefon und der Verschmelzung von Gameboy und Handy haben die Finnen die Nase vorn. Doch auf den Wachstumsmärkten in den USA und in Asien holen Motorola und chinesische Hersteller auf.Martin Virtel

Gelingt die Sanierung des Elektrokonzerns ABB?

Ja. Das Unternehmen hat mit Jürgen Dormann einen unsentimentalen Sanierer an der Spitze. Die Banken haben dem Konzern einen neuen Kredit gewährt, die Wallenberg-Familie als Hauptaktionär steht hinter dem Sanierungskonzept. Wenn ABB wie angekündigt wieder einen Mittelzufluss und einen Nettogewinn erzielt, sollte es langsam aufwärts gehen. Mit einer Gefahr: Die milliardenschweren Asbest-Klagen muss der Konzern rasch aus der Welt schaffen.Sven-Oliver Clausen

Findet Bayer einen Pharma-Partner?

Der Bayer-Konzern wird sich mit der Suche nach einem Partner für sein Pharmageschäft schwer tun. Experten fragen sich, warum eine schlagkräftige Firma mit Bayer zusammengehen soll: Die Firma hat wenig neue Medikamente in der Entwicklung. Dazu werden in den USA Tausende Klagen wegen des 2001 zurückgezogenen Cholesterinsenkers Lipobay vorbereitet. Und: Neuerdings gibt es im Aufsichtsrat Widerstand gegen die Zusammenschluss-Pläne. Klaus Max Smolka

Geht die Krise der Medienbranche weiter?

Es gibt keine Zeichen, dass bei den Werbeausgaben am Ende des nächsten Jahres mehr herauskommt als Stagnation – und das wäre schon ein Erfolg. Neue Schocks und Massenentlassungen sind dennoch nicht zu befürchten – die Firmen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie müssen sich auf ihre Ursprünge besinnen: Am Ende werden die Medien überleben, die dauerhaft interessante Inhalte liefern. Lutz Meier

Wer kauft den Beiersdorf-Konzern?

Tchibo wird seine Beteiligung an Beiersdorf aufstocken. Die Allianz will ihren Anteil an dem Nivea-Hersteller gerne verkaufen. Deren Top-Favorit ist zwar Procter & Gamble. Doch wenn die Herz-Familie, der Tchibo gehört, sich weiter gegen den Verkauf ihres 30-Prozent-Anteils sperrt, werden die Amerikaner nicht zuschlagen. Dann bleibt nur noch Tchibo als Käufer. Sven-Oliver Clausen

Finanzen

Wer übernimmt die Commerzbank?

Das Jahr 2003 könnte die größte Bankenfusion der deutschen Geschichte erleben. Die Commerzbank ist nach Ansicht vieler Beobachter allein zu klein zum Überleben. Als potenzieller Erwerber gilt die HypoVereinsbank (HVB), die mit der Commerzbank ihre Präsenz außerhalb Bayerns und Norddeutschlands ausbauen könnte. Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller und der designierte Vorstandssprecher der HVB, Dieter Rampl, haben wiederholt auf die Vorteile eines Zusammengehens hingewiesen. Günter Heismann

Rutschen die Versicherungen in eine Krise?

Für die Versicherungsbranche wird es ein hartes Jahr. Zwar steigen die Preise für Gebäude-, Auto-oder Haftpflichtdeckungen. Aber immer noch wird die Assekuranz von der Börsenkrise gebeutelt. Dazu kommt, dass weitere Naturkatastrophen die Bilanzen verhageln könnten. Besonders für die Lebensversicherer wird das Frühjahr spannend – dann müssen sie ihre Geschäftszahlen für 2002 vorlegen. Angesichts der schwachen Aktienkurse dürften einige in Schwierigkeiten kommen.Herbert Fromme

Steht der Euro vor einem Höhenflug?

Nein – auch wenn er kurzfristig noch Aufwärtspotenzial besitzt. Insbesondere die Angst vor einem Irak-Krieg wird die US-Devise in den ersten Monaten noch belasten und damit den Euro stützen. Auf längere Sicht jedoch wird sich die Überzeugung durchsetzen, dass die USA strukturell besser aufgestellt sind als die Euro-Zone. Damit wird auch das Interesse der Anleger am Dollar wieder geweckt. Sebastian Sachs

Senkt die Europäische Zentralbank weiter die Leitzinsen ?

Zuerst nicht: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird den Leitzins bis zum Frühjahr bei 2,75 Prozent halten. Durch einen langsamen Wirtschaftsaufschwung und eine sinkende Inflationsrate kann die EZB Mitte des Jahres die Geldpolitik lockern. Zum Jahresende gewinnt der Aufschwung an Fahrt, die EZB erhöht die Zinsen. Der Leitzins wird wieder bei 2,75 Prozent liegen. Andreas Krosta

Wo stehen Dax und Dow am Jahresende 2003?

Realistisch denkende Fondsmanager rechnen mit einer Aktienmarktrendite von sechs Prozent im nächsten Jahr. Das entspricht etwa der Schwankungsbreite des Dax in einer durchschnittlichen Handelswoche. Wahrscheinlich werden Dax und Dow noch einmal Einbrüche erleben. Die Aussicht auf einen Aufschwung im Jahr 2004 könnte die Aktienmärkte zum Ende des Jahres in Fahrt bringen. Der Dax übersteigt dann 4000 und der Dow 10 000

Punkte. Lucas Zeise

Bild(er):

Prognosen für 2003 mit Tarotkarten – asdasdasdasd yscycyxcyxcyxc Fotocredit.

Quelle: Financial Times Deutschland

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