RWE beruft sich auf höhere Gewalt · Versicherungen springen selten ein · Noch 90 000 Menschen unversorgt
Von Michael Gassmann, Düsseldorf, Herbert Fromme, Köln, und Timm Krägenow, Berlin R und 90 000 Menschen in Westfalen haben heute die vierte Winternacht in Folge ohne Strom hinter sich gebracht. Der Energieversorger RWE, der das Hochspannungsnetz in der Region betreibt, senkte gestern nach eigenen Angaben die Zahl der nicht versorgten Haushalte deutlich. Zugleich kam es zum Streit über Ursachen und finanzielle Folgen des partiellen Netzzusammenbruchs.
Sturm, Schnee und Eisregen führten am Freitagabend zu den schwersten Stromunterbrechungen in Deutschland seit einem Eisregen in Schleswig vor 25 Jahren. Bis zu 250 000 Haushalte blieben stundenlang ohne elektrische Energie, Bahn- und Flugverkehr waren zeitweise schwer gestört.
Die Kosten des Stromausfalls durch beschädigte Geräte und Betriebsunterbrechungen in Industrie, Gastronomie und Landwirtschaft gehen in die Millionen. Sie könnten noch nicht genau beziffert werden, sagte ein RWE-Sprecher.
Der Stromkonzern muss für die Schäden wohl nicht geradestehen. „RWE würde nur bei grober Fahrlässigkeit haften“, sagte ein Sprecher der Westfälischen Provinzial, des wichtigsten Versicherers des Stromproduzenten in der Region.
Auch ein neuer Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums stellt Stromversorger weitgehend von der Haftung bei höherer Gewalt frei. Der Bund der Energieverbraucher kritisiere dies heftig: „Wer das Geschäft macht, darf sich bei der Haftung nicht drücken“, sagte Aribert Peters, Chef des Verbands. Für Privathaushalte springt unter Umständen die Hausratversicherung ein. „Nach den ab 2005 geltenden Bedingungen ist Tiefkühlkost bis zu 600 Euro versichert“, sagte der Provinzial-Sprecher.
Auch neue Gebäudeversicherungsverträge mit Schutz gegen Elementarschäden könnten Schäden decken. Wer wie die meisten Haushalte über ältere Policen verfügt, muss die Kosten selbst tragen.
Kritiker wiesen RWE eine Mitschuld zu. Die Stromwirtschaft investiere nur zehn Prozent ihrer Netzerlöse wieder ins Stromnetz, sagte Peters vom Bund der Energieverbraucher. Der Verband der Netzbetreiber erklärte gestern, die Investitionen würden nun wieder angehoben. In den nächsten 15 Jahren wolle die Branche 40 Mrd. Euro investieren. „Zumindest kann niemand behaupten, Grund des Ausfalls sei die Kürzung der Netzentgelte“, sagte ein Sprecher der Bundesnetzagentur. Das erstmals durchgeführte Verfahren zur Genehmigung der Entgelte läuft noch. Die Grünen forderten eine Abkehr von Großkraftwerken. „Wenn es mehr kleine Kraftwerke in einzelnen Orten gäbe, wären großflächige Stromausfälle von dieser Dauer unmöglich“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Reinhard Loske.
Die endgültige Behebung der Störungen kann noch Tage dauern. 50 Hochspannungsmasten waren unter Eislast und Winddruck umgeknickt. Wann der letzte Bauernhof wieder ans Netz gehe, könne er noch nicht sagen, erklärte Knut Zschiedrich, Chef der zuständigen RWE-Regionalgesellschaft. RWE arbeite mit 400 Spezialisten an den Reparaturen.
Zitat:
„Zumindest kann niemand behaupten, Grund des Ausfalls sei die Kürzung der Netzentgelte“ – Sprecher der Bundesnetzagentur –
Bild(er):
Abgeknickte Strommasten bei Laer nördlich von Münster. Die Schäden durch Eisregen am Leitungsnetz in Nordrhein-Westfalen führten zu schweren Stromausfällen – Reuters
Weiterer Bericht 29 www.ftd.de/RWE
Quelle: Financial Times Deutschland
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