EU-Kommission verschiebt formale Solvency-II-Einführung auf Mitte 2013 //Branche verlangt längere Übergangsfrist
Mark Schrörs, Brüssel,
und Herbert Fromme, Köln
Die EU-Kommission verschiebt die Einführung der neuen Aufsichtsregeln für Europas Versicherer. Die Behörde wird in Kürze einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der den 30. Juni 2013 als neues Datum für die Implementierung von Solvency II festlegt. Zuletzt war der 31. Dezember 2012 geplant. Eine Sprecherin von Binnenmarktkommissar Michel Barnier bestätigte entsprechende FTD-Informationen. Grund ist, dass EU-Parlament und Mitgliedstaaten mehr Zeit brauchen, um sich über die genaue Ausgestaltung der Regeln zu einigen.
Zugleich will die Kommission in dem Vorschlag aber festschreiben, dass die Vorgaben – wie zuletzt in Aussicht gestellt – ab dem 1. Januar 2014 für alle Versicherer verbindlich sein sollen. In den sechs Monaten von Mitte 2013 bis Anfang 2014 soll die Branche zwar alle Daten schon nach den neuen Regeln erheben, darf aber noch nach den alten Vorschriften von Solvency I arbeiten.
Mit der Annahme des Vorschlags würden sich die EU-Institutionen erstmals auf den 1. Januar 2014 für die sogenannte Scharfschaltung von Solvency II festlegen. Doch noch haben die Verhandlungsbedarf untereinander, wie die neuen Regeln letztlich genau aussehen.
Nicht nur deshalb ist das Datum der Scharfschaltung höchst umstritten. Der zweite Grund: Die Übergangsfristen wären extrem knapp. Dagegen protestieren die Versicherer.
„Eine Verschiebung der nationalen Umsetzung darf nicht zu Lasten der Unternehmen gehen“, sagte eine Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Eine Verkürzung der Frist zwischen nationaler Umsetzung und Scharfschaltung von zwölf auf sechs Monate ist für uns nicht akzeptabel.“
Ursprünglich hatte die EU-Komission den Gesellschaften sogar 18 Monate Übergangsfrist zugesagt. Deshalb war die Branche zuletzt von der Scharfschaltung Anfang 2015 oder erst 2016 ausgegangen.
Solvency II stellt höchste Anforderungen an die Kapitalausstattung und die Berichtsysteme der Versicherer. „Wenn die endgültigen Regeln erst Anfang oder Mitte 2013 feststehen, ist es kaum zu schaffen, alle Systeme 2014 in Betrieb zu haben“, sagte ein Manager. Er nannte noch einen weiteren Grund, warum die Scharfschaltung Anfang 2014 schwierig wird: „Die Aufsichtsbehörden der EU-Länder brauchen mindestens genauso lange wie die Unternehmen, um mit den Anforderungen fertig zu werden.“
Mit Solvency II will die EU Eigenkapitalregeln einführen, die sich an der konkreten Risikosituation der einzelnen Gesellschaften orientieren. Das soll Versicherer krisenfester machen.
Der Hintergrund für den neuen Terminvorschlag ist zunächst eher technisch: In der EU-Richtlinie zu Solvency II, die seit 2009 in Kraft ist, sind noch der 31. Oktober 2012 für die Implementierung und der 1. November 2012 für die Anwendung festgelegt. Die Richtlinie muss durch die sogenannte Omnibus-II-Richtlinie modifiziert werden. Über sie verhandeln EU-Parlament und Rat gerade.
In Brüssel gilt es als unwahrscheinlich, dass es noch gelingt, Omnibus II vor dem 31. Oktober 2012 als offizielles Gesetz zu verabschieden. Solvency I würde dann zu diesem Stichtag widerrufen, ohne das Solvency II implementiert und anwendbar ist. „Das würde für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen erhebliche rechtliche Unsicherheit schaffen“, sagte Barniers Sprecherin der FTD.
Um diesen rechtsfreien Zustand zu vermeiden, gibt es nun den neuen Vorschlag, die offizielle Einführung von Anfang auf Mitte 2013 zu verschieben. Der Plan soll im Schnellverfahren von Parlament und Mitgliedstaaten durchgewunken werden.
Für diese Quick-Fix-Richtlinie hatten sich das EU-Parlament und vor allem der Omnibus-II-Berichterstatter Burkhard Balz (CDU) eingesetzt. „Wir brauchen dringend belastbare Daten, damit sich Aufseher und Versicherungsunternehmen zielstrebig auf die Solvency-II-Umstellung vorbereiten können“, sagte Balz der FTD. „Das Anwendungsdatum ist das entscheidende Datum. Das bedeutet, dass Solvency II zum 1. Januar 2014 scharfgeschaltet wird.“ Die Branche hat allerdings ihre Zweifel und Bedenken.
Quelle: Financial Times Deutschland
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