Der Hausarztvertrag der Barmer Ersatzkasse entwickelt sich zum Renner bei den Versicherten. „Wir sind überwältigt von der Resonanz“, berichtete Sprecher Axel Wunsch. Seit dem 1. März haben die Versicherten die Möglichkeit, sich einzuschreiben. Die Zahl der Anträge sei vom ersten Tag an so groß gewesen, dass die Kasse mit dem Zählen nicht nachkomme, sagte er. Bei der Vorstellung des Vertrags hatte die Barmer 1,4 Millionen der insgesamt 7,5 Millionen Versicherten als Ziel genannt. Bislang beteiligen sich 22 000 Ärzte und 13 000 Apotheker.
Das Konzept: Versicherte über 18 Jahre schreiben sich für mindestens ein Jahr bei einem Hausarzt und einem Apotheker ihrer Wahl ein. Dafür müssen sie nur noch einmal pro Jahr die Praxisgebühr bezahlen. Der Hausarzt koordiniert die gesamte Behandlung der Patienten, die Versorgung durch Fachärzte oder in Kliniken erfolgt auf seine Überweisung. Auch die Dokumentation sämtlicher diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen liegt in seiner Hand.
Der Hausapotheker führt Buch über alle Arzneimittel, die der Patient einnimmt, überprüft, ob sie untereinander verträglich sind oder unerwünschte Wechselwirkungen haben. Der Vertrag sieht die direkte Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und -apotheker vor.
Das Modell ist ein Novum in der Krankenkassenlandschaft. Die Barmer ist die erste Kasse, die einen bundesweiten Hausarztvertrag anbietet, andere Modelle sind regional begrenzt. Ausgehandelt hat die Kasse den Vertrag mit dem Deutschen Hausärzteverband und dem Deutschen Apothekerverband und nicht mit den Kassenärztlichen Vereinigungen. Nicht zuletzt deshalb ist er unter den Ärzten umstritten. Über kaum ein anderes Thema diskutieren die Mediziner zurzeit so heftig.
Neben einer besser strukturierten Versorgung der Patienten zielt der Vertrag vor allem auf Einsparungen. Die Mediziner verpflichten sich, auf bestimmte Empfehlungen zu achten, um die Kosten bei Arzneimitteln und Krankenhausbehandlungen zu senken.
Erwünschte Kostensenkung
Der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Eckart Fiedler, sieht für seine Krankenkasse ein Einsparpotenzial von bis zu 300 Mio. Euro durch eine rationalere Arzneimitteltherapie, das wären 15 Prozent. „Zumindest einen Teil wollen wir über den Hausarztvertrag realisieren“, kündigte er an. Helfen sollen Maßnahmen wie der verstärkte Einsatz von Generika, also Nachahmerprodukten, und der Verzicht auf so genannte Scheininnovationen.
Das stelle die Therapiefreiheit der Ärzte nicht in Frage, betonte Fiedler. „Bei den im Vertrag festgehaltenen Maßnahmen geht es um Empfehlungen und Orientierungswerte, nicht um Vorschriften an den Arzt.“ Es seien keine Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass Mediziner von den Empfehlungen abweichen, sagte er.
Werden tatsächlich Einsparungen realisiert, haben Arzt und Apotheker direkt etwas davon. Die Barmer wird die bundesweite Entwicklung bei den Arzneimittelausgaben mit den Ausgaben, die bei den Teilnehmern des Hausarztmodells anfallen, vergleichen. Sind letztere niedriger, gehen 40 Prozent der Differenz an die Kasse, 30 Prozent an die Ärzte und 30 Prozent an die Apotheker.
Der Barmer-Vertrag findet den Beifall von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Sie bezeichnete ihn als „wegweisend“. Schmidt: „Erstmals haben wir einen Integrationsvertrag im Bereich der hausärztlichen Versorgung mit einem Schwerpunkt auf der Arzneimittelversorgung und -dokumentation.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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